Infektionskrankheiten

Start der HIV-Kampagne #einfachtesten

40 Prozent aller HIV-Diagnosen in Österreich werden zu einem späten Zeitpunkt gestellt – die österreichweite Kampagne „#einfachtesten“ setzt auf Früherkennung und motiviert sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten zum HIV-Test.

red

„Eh klar, ich mache einen HIV-Test! Du auch?” Das ist das Motto unserer Kampagne, deren Ziel es ist, ein stärkeres Bewusstsein für den HIV-Test zu schaffen und damit die Früherkennung von HIV voranzutreiben“, erklärt Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien. Die Kampagne soll Allgemeinmediziner sowie Patientinnen und Patienten gleichermaßen für den HIV-Test sensibilisieren. Sich testen zu lassen oder einen Test anzubieten, soll nicht länger schambehaftet sein, sondern alltägliche Praxis werden. Neben der Österreichischen Ärztekammer und verschiedenen Landesärztekammern unterstützen auch der Dachverband der Sozialversicherungsträger, die Österreichische AIDS Gesellschaft und die Österreichische Gesellschaft niedergelassener Ärzte zur Betreuung HIV-Infizierter (ÖGNÄ-HIV) die Kampagne.

Späte Diagnosen wirken sich nachteilig aus

„In Österreich werden mehr als 40 Prozent aller HIV-Diagnosen sehr spät gestellt, zu einem Zeitpunkt, an dem das Immunsystem bereits geschwächt ist. Dabei könnten durch die rechtzeitige Diagnose und Therapie Folgeerscheinungen und Übertragungen nachhaltig vermieden werden“, erklärt Alexander Zoufaly, Präsident der Österreichischen AIDS Gesellschaft.

Späte HIV-Diagnosen haben Auswirkungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene: Menschen, die zu einem späten Zeitpunkt eine HIV-Diagnose erhalten, haben ein höheres Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf und frühzeitige Sterblichkeit. Auf gesellschaftlicher Ebene führt der verzögerte Zugang zu Therapie zu weiteren - vermeidbaren- Infektionen sowie höheren Behandlungskosten.

Trotz der Behandlungserfolge mit der antiretroviralen HIV-Therapie, gibt es nach wie vor zahlreiche HIV-positive Personen, die ihre Diagnose sehr spät erhalten. Wurde der Schwellenwert von 350 CD4-Zellen/µl Blut unterschritten oder liegt bereits eine AIDSdefinierende Erkrankung vor, kann die Therapieeinleitung dann nicht mehr zum optimalen Zeitpunkt stattfinden, sondern verspätet. Dementsprechend werden diese Patientinnen und Patienten im Allgemeinen als „Late Presenter“ bezeichnet. 

Die möglichst frühzeitige Diagnose einer HIV-Infektion ist wichtig, um rechtzeitig eine Behandlung einzuleiten, den Erkrankungsverlauf positiv zu beeinflussen und weitere Übertragungen zu verhindern.  HIV ist zwar nicht heilbar, aber heute sehr gut behandelbar. Durch einen rechtzeitigen Therapiestart haben Menschen mit HIV eine annähernd gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV bei vergleichbarer Lebensqualität.

„Früherkennung ist nicht nur für die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend. Sie hat enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Gesundheitssystem. Die Sozialversicherung unterstützt daher mit Überzeugung dieses Projekt der Aids Hilfe Wien. Die Kampagne verstärkt nicht nur die Bewusstseinsbildung für dieses Thema, sie trägt auch zur Entstigmatisierung bei. Ein HIV-Test muss selbstverständlich und darf kein Tabuthema sein. Der Appell an die Eigenverantwortung und eine aktive Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte werden hier sicherlich einen positiven Einfluss haben“, betont Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger.

Schlüsselrolle bei der Früherkennung

Es gibt viele Ursachen dafür, dass Menschen sich nicht routinemäßig auf HIV untersuchen lassen. Oftmals können fehlendes Risikobewusstsein, Angst vor den möglichen Folgen sowie die Assoziation mit Stigma bei einem positiven Testergebnis zugrunde liegen. Allgemeinmediziner nehmen bei der Früherkennung von HIV deshalb eine wichtige Schlüsselrolle ein. Sie sind die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, sei es für Gesundenuntersuchungen oder bei Symptomen einer akuten oder fortgeschrittenen HIV-Infektion.

Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres räumt im Rahmen der Pressekonferenz der Aids Hilfe Wien mit Vorurteilen rund um HIV auf: Noch immer glauben viele, dass HIV ausschließlich Randgruppen betrifft. Tatsache aber ist, dass es jeden von uns treffen kann, unabhängig vom Alter, vom Geschlecht oder der sexuellen Orientierung.“ Er betont die Schlüsselrolle der Ärztinnen und Ärzte: „Es muss unser Ziel sein, permanent Aufklärungsarbeit zu leisten, damit es erst gar nicht zu einer Ansteckung kommt. Wenn aber einmal eine Ansteckung erfolgt ist, muss diese jedenfalls möglichst rasch erkannt werden. In all diesen Bereichen – also Vorsorge und Aufklärung, Sexualanamnese, Testung und Diagnostik, Therapie und psychosoziale Begleitung – kommt vor allem den Hausärztinnen und Hausärzten eine besondere Bedeutung zu, sind sie es doch, die meist über viele Jahre hindurch ihre Patientinnen und Patienten medizinisch durchs Leben begleiten. In diesem Sinne begrüße ich es sehr, dass die Aids Hilfe Wien im Rahmen der Kampagne “#einfachtesten” Materialien für Ärztinnen und Ärzte geschaffen hat, die helfen, diese Thematik in der alltäglichen Arbeit anzusprechen.“

Das Design der Kampagne

Mit einem Mix aus Online- und Offline-Elementen wird die Kampagne “#einfachtesten” österreichweit bis Ende des Jahres laufen. Für die Zielgruppe der Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner wurden, in fachlicher Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern, Fortbildungen, ein E-Learning-Tool sowie eine Informationsbroschüre entwickelt. Um Patientinnen und Patienten in allgemeinmedizinischen Praxen zu sensibilisieren und informieren, werden Plakate mit dem Slogan „Eh klar, ich mache einen HIV-Test! Du auch?“ und mehrsprachige Broschüren eingesetzt. Zusätzlich wird das Thema über die Online-Kanäle der Aids Hilfe Wien geschalten.

Die Kampagnenmaterialien sowie alle Informationen zur Kampagne können auf der Website der Aidshilfe abgerufen werden.

Zahlen und Fakten

In Österreich leben schätzungsweise 8.500 Menschen mit einer HIV-Infektion. Etwa 7.000 erhalten eine HIV-Therapie, so Zoufaly. Vergangenes Jahr gab 332 Neudiagnosen. „Das war weniger als in den Jahren davor" - wahrscheinlich aufgrund der Corona-Pandemie. Die Spätdiagnose sei in ganz Europa ein Problem, nicht nur in Österreich. Von Spätdiagnosen betroffen sind vor allem Menschen, die einen heterosexuellen Übertragungsweg aufzeigen, die Migrationshintergrund haben oder sich durch Drogengebrauch mit HIV angesteckt haben. Anders sei die Situation bei homo- oder bisexuellen Männern, die häufiger eine frühe Diagnose erfahren. In dieser Gruppe gebe es wahrscheinlich ein erhöhtes Risikobewusstsein oder eine erhöhte Bereitschaft zur Testung, meinte Zoufaly. Wenn eine HIV-Diagnose länger unentdeckt bleibt, bleibt sie auch länger unbehandelt und die Gefahr einer Weitergabe der Infektion sei groß. "

Die Kampagne wird mit Unterstützung des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger und in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer, den Landesärztekammern Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Vorarlberg und Wien, der Österreichischen AIDS Gesellschaft (ÖAG), der Österreichischen Gesellschaft niedergelassener Ärzte zur Betreuung HIV-Infizierter (ÖGNÄ-HIV) und allen AIDS-Hilfen durchgeführt.

HIV Folder
Die Zahl so genannter Late Presenter soll mit der neuen Kampagne verringert werden.