Auch Erik Randall Huber, Vizepräsident der Ärztekammer für Wien und Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte, warnt: „Apothekerinnen und Apotheker können keine Diagnose stellen, das ist nicht Teil ihrer Ausbildung. Woher wollen sie wissen, ob es sich um einen Harnwegsinfekt handelt, ohne den Patienten je untersucht zu haben? Welche Differenzialdiagnosen sind den Apothekern bekannt?“ Unter Umständen könne sogar die Diagnose von einem Blasenstein oder einem Blasentumor übersehen werden. Blasentumore werden vor allem bei älteren Patientinnen oftmals übersehen und ohne ärztliche Abklärung „auf Verdacht” als Harnwegsinfekt behandelt. „Solche Fehldiagnosen führen vor allem bei Frauen, wenn sie nicht zum Arzt gehen, zu einer verzögerten Diagnostik und diese letztendlich zu einer schlechteren Prognose und höheren Mortalität“, sagt Mehmet Özsoy, Facharzt für Urologie und Präsident des Berufsverbandes der Österreichischen Urologen,
Ebenso sei die von der Apothekerschaft propagierte Behandlung von Harnwegsinfekten ausschließlich mit pflanzlichen Präparaten eine gefährliche Irreführung von Patient:innen, „da sie im guten Glauben gelassen werden, ein Harnwegsinfekt sei eine harmlose Sache, die einfach so im Vorübergehen behandelt werden kann“, warnt Özsoy. In den meisten Fällen sei vielmehr eine antibiotische Therapie notwendig. Sofern Patient:innen keine Antibiotika einnehmen möchten, müsse diese Entscheidung unbedingt gemeinsam mit Ärzt:innen besprochen werden.
Daher appellieren Steinhart, Huber und Özsoy an alle Bürgerinnen und Bürger, bei gesundheitlichen Beschwerden grundsätzlich immer eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. Von der Apothekerkammer erwartet Vizepräsident Huber diesbezüglich eine Klarstellung: „Patient:innen vorzugaukeln, dass sie mit selbsgemixten pflanzlichen Präparaten gefährliche Erkrankungen ohne ärztliche Untersuchung und Diagnose behandeln können, ist gemeingefährlich.“ Jede Berufsgruppe sollte ihre erlernten Kompetenzen nicht überschreiten. „Nach einem Blechschaden bringe ich meinen Wagen auch zum Automechaniker und nicht zum Tischler. Bei gesundheitlichen Beschwerden ist daher der erste Weg zu einer Ärztin oder einem Arzt, aber sicher nicht in eine Apotheke“, so Huber abschließend.