Neuer Eltern-Kind-Pass erntet Lob und sorgt für Fragen

Am Freitag endet die Begutachtung für den neuen Eltern-Kind-Pass (bisher Mutter-Kind-Pass). In den Stellungnahmen der Institutionen wird das Vorhaben großteils begrüßt - sowohl die Schaffung der elektronischen Anwendung als auch die grundsätzlichen Ziele der Reform. Für Fragen sorgt aber der im Entwurf noch nicht konkretisierte neue Leistungskatalog. Auch datenschutzrechtliche Bedenken werden geäußert. Insgesamt lagen Freitagmittag knapp 200 Stellungnahmen vor.

red/Agenturen

Die Volksanwaltschaft begrüßt in ihrer Stellungnahme, dass der Nachweis der Untersuchungen, der für den Erhalt des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe notwendig ist, den Krankenversicherungsträgern künftig automatisch zur Verfügung gestellt wird und nicht mehr in Papierform erbracht werden muss. Derzeit wird das Kinderbetreuungsgeld für jeden Elternteil um 1.300 Euro gekürzt, wenn der Nachweis verspätet erbracht wird - auch wenn die Untersuchungen ordnungsgemäß durchgeführt wurden.

Sperr- und Ausschlusskriterien bei Gewaltbetroffenheit von Frauen und Kindern nötig

Da die elektronische Nachweismethode aber erst bis 2026 abgeschlossen sein soll, fordert die Volksanwaltschaft die Schaffung einer Übergangslösung, um „Härten für Familien mit Kleinkindern auch angesichts der gegenwärtig hohen Inflation und Teuerung zu vermeiden“, wie es in der Stellungnahme heißt. Sie schlägt vor, eine Bestimmung einzuführen, wonach das Kinderbetreuungsgeld auch dann in voller Höhe gebührt, wenn Eltern die Untersuchungen vollständig durchführen und lediglich die Nachweise verspätet vorlegen.

Das österreichische Hebammengremium (ÖHG) betont in seiner Stellungnahme, die grundsätzlichen Ziele der Reform zu unterstützen, beklagt aber, dass wesentliche Positionen des ÖHG nicht berücksichtigt worden seien. Gefordert wird, zusätzlich zur verpflichtenden Hebammenberatung in der 18. bis 22. Schwangerschaftswoche eine psychosoziale Betreuung in der 14. bis 17. Woche durch Hebammen sowie eine weitere Hebammenberatung in der 24. bis 34. Woche vorzuschreiben. Im Entwurf ist derzeit lediglich eine zusätzliche verpflichtende „Elternberatung“ in der 20. bis 35. Woche vorgesehen. Es sei nicht klar, durch wen diese Beratung durchgeführt werden soll, kritisiert das Hebammengremium.

Das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen bemängelt, dass die konkrete Ausformulierung fehlt, welche Inhalte diese Elternberatung enthalten soll. Gefordert wird, dass eine Arbeitsgruppe, in der auch die Frauenberatungsstellen vertreten sein sollen, ein Curriculum erarbeiten soll, in dem auch gleichstellungspolitische Ziele verankert sind. Der zu erwartende „massive Mehraufwand an Beratungsleistungen“ müsse sich unbedingt in einer entsprechenden Anpassung in den Basisfinanzierungen der Familien- und Frauenberatungsstellen widerspiegeln.

Mehrere Bedenken vom Datenschutzrat

Sorge macht dem Netzwerk, dass die Obsorgeberechtigten eines Kindes das Recht haben sollen, im elektronischen Eltern-Kind-Pass unter anderem die Untersuchungsergebnisse des Kindes abzurufen, den Untersuchungsplan einzusehen oder den Zugriff für zugriffsberechtigte Gesundheitsdiensteanbieter zu verändern. Bei Gewaltbetroffenheit von Frauen und Kindern brauche es Sperr- und Ausschlusskriterien des gewalttätigen Partners. Angemerkt wird auch, dass ein rein elektronischer Zugang nicht niederschwellig und nicht für alle Menschen gleich gut zugänglich sei.

Der Datenschutzrat äußert mehrere Bedenken. Unter anderem wünscht er sich genauere Erläuterungen, warum die Aufbewahrungsdauer der Daten von 30 Jahren nicht verkürzt werden und der Zugriff auf die Daten nicht wesentlich früher auf die jeweils betroffene Person beschränkt werden könne. Auch die Organisation epicenter.works stellte „einige Mängel aus datenschutzrechtlicher Sicht im Gesetzesvorschlag“ fest. So werde eine Registrierungsverpflichtung des Gesundheitsdiensteanbieters für jede festgestellte Schwangerschaft geschaffen. Ein erfolgter Schwangerschaftsabbruch wäre daher jederzeit nachweis- und auswertbar.

Begrüßt werden die Änderungen von SOS Kinderdorf. Allerdings weist die Organisation auch auf ein „wesentliches Defizit“ der Reform hin, wie es in einer Aussendung heißt. So bestünden weiterhin große Lücken in Bezug auf die Früherkennung psychischer Probleme bei Kindern, vor allem aber auch ihrer Eltern. Vorgeschlagen wird, im Zuge der Reform ein Früherkennungsprogramm zur psychischen Gesundheit einzuführen.

Der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) spricht sich für die Aufnahme einer verbindlichen psychotherapeutischen Beratung in den Eltern-Kind-Pass aus, Ergotherapie Austria, der Bundesverband der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, für jene von ergotherapeutischen Leistungen. Die Österreichische Zahnärztekammer will zahnmedizinische Leistungen im Eltern-Kind-Pass sehen.

Vielzahl zusätzlicher Leistungen in Vorsorgeprogramm aufgenommen

Ein Sprecher des Sozialministeriums wies auf APA-Anfrage darauf hin, dass es sich beim vorliegenden Gesetzesentwurf um eine Grundlage halte, damit der Eltern-Kind-Pass weiterhin gesichert sei und man mit der Digitalisierung starten könne. Die Erweiterung des Leistungskatalogs sei noch nicht vollständig enthalten, dieser werde gerade verhandelt. So werde etwa die zweite Hebammenberatung, die vom Ministerrat beschlossen wurde, wie geplant kommen, derzeit aber noch verhandelt, weshalb sie im aktuellen Entwurf noch nicht enthalten sei. Im Entwurf heißt es dazu, dass das mittels Verordnung festzulegende Untersuchungsprogramm „weitere Beratungsleistungen für Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft (z. B. Elternberatung oder GEVAN (Gesundheit und Ernährung von Anfang an, Anm.)“ vorsehen könne.

Auch der Rechnungshof, der die Schaffung einer elektronischen Anwendung begrüßt, weist darauf hin, dass zur konkreten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Pass-Programms eine zeitnahe Novellierung der Mutter-Kind-Pass-Verordnung notwendig sei.

In den kommenden Jahren soll laut Regierungsbeschluss eine Vielzahl zusätzlicher Leistungen in das Vorsorgeprogramm aufgenommen werden: Neben der psychosozialen Beratung zu Beginn der Schwangerschaft und der zweiten, freiwilligen Hebammenberatung vor der Geburt sollen etwa ein zusätzliches Hörscreening für Neugeborene, ein zusätzlicher Ultraschall sowie ergänzende Laboruntersuchungen in Anspruch genommen werden können.

Der Mutter-Kind-Pass ist seit 1974 ein wichtiges Vorsorgeinstrument für Schwangere, Babys und Kleinkinder. Bis 2026 soll das in die Jahre gekommene Büchlein ausgebaut und digitalisiert werden - zum elektronischen Eltern-Kind-Pass. Die technische Umsetzung soll im zweiten Halbjahr 2023 beginnen. Der Beschluss des Eltern-Kind-Pass-Gesetzes im Nationalrat ist im Juni geplant.

Mutter-Kind-Pass
Der Mutter-Kind-Pass ist seit 1974 ein wichtiges Vorsorgeinstrument für Schwangere, Babys und Kleinkinder. Bis 2026 soll das in die Jahre gekommene Büchlein ausgebaut und digitalisiert werden - zum elektronischen Eltern-Kind-Pass.
FOTO: APA/BARBARA GINDL