Smarte Haut

Innovation der TU Graz sucht Anwendungspartner

Mit 2.000 Sensoren pro Quadratmillimeter ist die smarte künstliche Haut, die an der TU Graz entwickelt wurde, feinfühliger und vielfach dünner als die hochempfindliche menschliche Haut. Das von Anna Maria Coclite entwickelte elektronische Hautmaterial hätte viele potenzielle Einsatzgebiete - von der ästhetische Chirurgie über Prothetik bis zu smarten Textilien. Nun sucht man Anwendungspartner, schilderte Coclite im Gespräch mit der APA.

red/Agenturen

Das nur 0,006 Millimeter dünne Drei-in-Eins Hybridmaterial "Smartskin" kann Druck, Feuchtigkeit und Temperatur simultan wahrnehmen und in elektronische Signale umwandeln. Damit übertrifft das künstliche Material laut Coclite alle bisher auf dem Markt angebotenen elektronischen Hautmaterialien, die bisher lediglich auf Druck und Temperatur reagieren. Kürzlich erhielt die Chemikerin und Materialforscherin am Grazer Institut für Festkörperphysik den Zuschlag für den mit 150.000 Euro dotierten "Proof of Concept"-Förderpreis (PoC) des Europäischen Forschungsrats ERC. Jeder der tausenden Sensoren der von ihr entwickelten künstlichen Haut ist im Prinzip ein Nanostäbchen: Sie besitzen einen smarten Kern aus einem Polymer in Form eines Hydrogels, der auf Temperatur und Feuchtigkeit anspricht und aus einer Schale aus piezoelektrischem Zinkoxid. Das Hydrogel kann Wasser absorbieren und dehnt sich dadurch bei Feuchtigkeits- und Temperaturänderungen aus. Dabei übt es einen Druck auf das Zinkoxid aus, das auf diese und auf alle anderen mechanischen Belastungen mit einem elektrischen Signal reagiert.

Multisensorisches Material hätte laut Anna Maria Coclite breites Einsatzfeld

Kommerzielle Anwendungsbereiche für das Hybridmaterial gäbe es laut Coclite viele, wie sie im Gespräch mit der APA sagte. Etwa im medizinischen Bereich: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) erleiden jährlich rund 200.000 Menschen schwere Verbrennungen und infolge des Absterbens der Hautrezeptoren einen vollständigen Gefühlsverlust. Smartskin könnte als "Pflaster" den Brandopfern helfen, ihre Gefühle wiederzuerlangen. Als Sensor in smarten Textilien könnte das multisensorische Hybridmaterial wiederum präzise Informationen über Hautfeuchtigkeit, pH-Wert und Temperatur der Haut sammeln.

Auch die intelligente Prothetik dürfte künftig von einer besser integrierten, präzisieren Sensorik profitieren, ist die Wissenschafterin überzeugt. Hier könnte das intelligente Material die Prothesen, die bereits mit den Nervenenden der Anwender verbunden sind, überziehen und die sensorischen Informationen sammeln. Der Träger einer Handprothese wüsste dann auch ob das Glas, das seine Handprothese greift, warm oder kalt ist - und z. B. keinen brennheißen Tee trinken.

Mit der Förderung möchte die Forscherin vom Institut für Festkörperphysik zunächst die drahtlose Verbindung der elektronischen Haut zu einem Echtzeit-Überwachungssystem entwickeln. Das wäre eine zentrale Weiterentwicklung der aktuell noch unhandlichen verdrahteten elektrischen Auslesung der Daten. Vor allem aber wäre das ein wichtiger Schritt hin zur Darstellbarkeit der Smartskin-Vorteile gegenüber potenziellen Industriepartnern, die somit möglichst früh in die Weiterentwicklung der Smartskin eingebunden werden könnten. "Ich bin gespannt, wie die Ergebnisse unserer Grundlagenforschung konkreten Einsatz finden können - dazu suchen wir jetzt ganz konkret Anwendungspartner", so Coclite.

Coclite hat bereits 2016 als erste Frau den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Förderpreis ERC Grant an die TU Graz geholt. Der PoC-Grant ist mit 150.000 Euro für maximal 18 Monate dotiert. Wichtige Forschungspartnerin bleibt auch im Proof of Concept-Projekt die Forschungsgesellschaft Joanneum Research, die gemeinsam mit der TU Graz das Patent an Smartskin hält.

(S E R V I C E - https://www.annacoclite.com/bio, Überblick Advanced Materials Sciences TU Graz: http://go.apa.at/NvvLbTOS )

Haut
Das 0,006 Millimeter dünne Hybridmaterial erfasst Feuchtigkeit, Temperatur und Druck.
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