Das Lungenkarzinom ist auch in Österreich ein riesiges Gesundheitsproblem. „2019 erkrankten 2.770 Männer und 2.061 Frauen an einem bösartigen Lungentumor. Lungenkrebs war damit die häufigste Krebserkrankung bei Männern und Frauen (insgesamt 11,6 Prozent aller Krebsneuerkrankungen). 2.337 Männer und 1.641 Frauen verstarben zuletzt daran. Somit war Lungenkrebs weiterhin die häufigste Krebstodesursache bei Männern und bereits die zweithäufigste Krebstodesursache bei Frauen in Österreich (insgesamt 19,6 Prozent aller Krebssterbefälle)“, schrieb die Statistik Austria.
In Österreich werden nur etwa 20 Prozent der Lungenkarzinome im Frühstadium entdeckt. Erfolgt das rechtzeitig, können die Fünf-Jahres-Überlebensraten sogar 90 Prozent erreichen, haben Experten festgestellt. Bei später Diagnose, was zumeist der Fall ist, sinkt die Fünf-Jahrs-Überlebensrate auf nur noch 15 bis 20 Prozent.
Zwei Studien, die vergangene Woche beim ASCO-Jahreskongress vorgestellt worden sind, sprechen eindeutig für größere Anstrengungen in Sachen Lungenkrebs-Früherkennung. In einer klinischen Untersuchung wurden knapp 800 Patient:innen mit einem noch per Operation entfernbaren nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) in den Stadien II bis IIIb aufgenommen. Bei 397 der Erkrankten startete bereits vor dem chirurgischen Eingriff eine Behandlung mit einem sogenannten Checkpoint-Inhibitor (Pembrolizumab), der das Immunsystem zu einer Reaktion gegen den Tumor veranlassen soll. 400 ebenfalls per Zufall ausgewählte Patient:innen erhielten stattdessen ein Placebo. Nach der Operation erfolgte dann für beide Gruppen eine Chemotherapie in Kombination mit dem Immuntherapeutikum.
Neue Medikamente wirken in Stadium Ib bis IIIa besser
Nach zwei Jahren zeigte sich, dass die Patienten mit dem früheren Start der Immuntherapie (bereits vor der Operation) ein um 42 Prozent geringeres Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung, für ein Wiederauftreten eines Tumors oder gar für das Ableben infolge der Erkrankung hatten. Völlig verschwunden war der Tumor bei 18,1 Prozent der schon vor dem chirurgischen Eingriff immuntherapeutisch Behandelten, hingegen nur bei vier Prozent der Personen aus der Placebogruppe. Diese beiden Ergebnisse waren statistisch signifikant, bei der Überlebensrate allein zeigte sich kein statistisch aussagekräftiger Unterschied, schrieben Heather Wakelee (Krebszentrum der Stanford University) und die Co-Autoren der auch im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie.
Eine zweite Untersuchung, die beim ASCO-Kongress vorgestellt und ebenfalls gleichzeitig im New England Journal of Medicine publiziert wurde, hat bewiesen, dass neue Medikamente im Frühstadium einer Lungenkarzinomerkrankung besser wirken. Masahiro Tsuboi von der Abteilung für Thoraxchirurgie und Onkologie an der Klinik des Nationalen japanischen Krebszentrums in Kashiwa und eine internationale Studiengruppe nahmen 682 Patient:innen mit einem Lungenkarzinom in einem frühen Stadium (Ib bis IIIa) in ihre Studie auf. Es handelte sich um Erkrankte mit einem sogenannten EGFR-mutierten Karzinom, bei dem an der Oberfläche der bösartigen Zellen vermehrt Rezeptoren für einen Wachstumsfaktor vorhanden sind. In Europa trifft das auf zehn bis 25 Prozent der Lungenkarzinompatienten zu. Hier gibt es allerdings die Möglichkeit einer sogenannten zielgerichteten Therapie mit EGFR-Hemmern.
4.000 Lungenkarzinom-Todesfälle könnten jährlich verhindert werden
In der ADAURO-Studie wurde erstmals der EGFR-Hemmer Osimertinib als zusätzliche medikamentöse Behandlung nach vollständiger Entfernung des Tumors per chirurgischem Eingriff erprobt. Jeweils die Hälfte der Probanden erhielt das Medikament, die andere Hälfte ein Placebo. Nach fünf Jahren zeigten sich deutlich unterschiedliche Heilungsraten: In der Gruppe der mit Osimertinib Behandelten betrug die Überlebensrate 88 Prozent, in der Placebogruppe hingegen nur 78 Prozent.
Die Voraussetzung für diese guten Behandlungsergebnisse ist in beiden Studien gleich: Die Früherkennung der Lungenkarzinomerkrankung. In den USA ist ein solches Screening bei starken und langjährigen Rauchern bereits etabliert. Dort sollen alle Personen zwischen 50 und 80 Jahren mit bereits 20 Jahren und einer Packung Zigaretten pro Tag (20 Pack-Years) einmal jährlich zu einer Niedrig-Dosis-Computertomografie gehen, wenn sie aktuell rauchen oder innerhalb der vergangenen 15 Jahren mit dem Zigarettenkonsum aufgehört haben. Im Rahmen eines landesweiten Pilotprojektes in Ungarn wurde bei 1,5 Prozent der Teilnehmer eine Lungenkarzinom-Diagnose gestellt. Die meisten bösartigen Veränderungen der Lunge wurden in einem frühen Stadium entdeckt (86,2 Prozent). Für Österreich wurde errechnet, dass ein organisiertes Lungenkrebsscreening-Programm die jährlich rund 4.000 Lungenkarzinom-Todesfälle um ein Viertel verringern könnte. Bisher existiert aber kein derartiges landesweites Projekt.