Das Forschungsteam um Barbara Leoni und Veronica Nava von der Universität Mailand-Bicocca (Italien), dem auch die Limnologin Katrin Attermeyer vom WasserCluster Lunz und dem Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien angehörte, hat in einer standardisierten Erhebung 38 Seen und Stauseen untersucht. Den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zufolge handelt es sich um die erste global repräsentative, standardisierte Untersuchung von Seen.
Das ernüchternde Ergebnis: Plastikmüll fand sich in allen untersuchten Seen - sogar in jenen Gewässern, die auf den ersten Blick vollkommen unberührt von menschlichen Einflüssen zu sein scheinen. Den weitaus größten Anteil machte mit fast 94 Prozent Mikroplastik (Partikel kleiner als fünf Millimeter) aus, alle anderen Teilchen waren größer.
21 der untersuchten Seen wiesen Konzentrationen von weniger als einem Partikel pro Kubikmeter auf. Zu dieser Kategorie gehört auch das einzige in Österreich untersuchte Gewässer, der Lunzer See in Niederösterreich. 14 Seen hatten Konzentrationen zwischen einem und fünf Partikel und drei Seen Konzentrationen von mehr als fünf Partikel pro Kubikmeter. Die Resultate dieser drei Seen - Luganer See (Schweiz/Italien), Lago Maggiore (Italien) und Lake Tahoe (USA) - hält Attermeyer insofern für „beunruhigend, als sie bereits jetzt eine höhere Mikroplastikbelastung aufweisen als die weltweit am stärksten verschmutzten subtropischen Ozeanwirbel“.
Chemisch bestanden die meisten Partikel aus Polyester (PES), Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE), was die Expertin wenig überrascht: „PE und PP machen mehr als die Hälfte der weltweiten Kunststoffproduktion aus, während PES für 70 Prozent der gesamten Produktion von Fasern für die Textilindustrie benötigt werden.“ Dementsprechend waren bei den gefundenen Kunststoffteilchen auch zwei Formkategorien dominant: Fasern (49 Prozent) und Fragmente (41 Prozent), die als „sekundäres Mikroplastik“ durch Zersplitterung größerer Kunststoffteile entstehen.
Zwei Arten von Gewässern besonders anfällig
Besonders anfällig für die Verschmutzung durch Mikroplastik erwiesen sich zwei Gewässer-Typen: einerseits Seen in dicht besiedelten und urbanisierten Gebieten und andererseits flächenmäßig große Seen, die vermutlich wegen ihres großen Einzugsgebiets und der langen Wasserverweildauer besonders belastet sind. Die Forscher stellten weitere Zusammenhänge fest: In Seen mit geringer Oberfläche, Maximaltiefe und Uferlänge dominierten blaue oder schwarze Fasern aus PES, während in großen, tiefen Seen mit ausgedehnter Uferlinie transparente oder weiße Fragmente aus PP und PE vorherrschten.
„Jeder See hatte somit quasi seine eigene Plastik-Signatur“, so Attermeyer. Dies könnte nicht nur bei der Ermittlung möglicher Verschmutzungsquellen, sondern auch bei der Charakterisierung der Auswirkungen der Kunststoffverschmutzung helfen.
In einer zweiten in „Nature“ veröffentlichten Studie hat ein Forscherteam um Hudson Pinheiro von der California Academy of Sciences (USA) 84 Korallenriffe in unterschiedlicher Tiefe im Pazifik, Atlantik und Indischen Ozean auf anthropogenen Makromüll (größer als fünf Zentimeter) untersucht. In 77 Riffen fanden sie Abfälle - das Gros davon bestand aus Plastik. Der Anteil des Kunststoffmülls war in den tiefer gelegenen Korallenriffen (30-150 Meter Tiefe) am höchsten. In den meisten untersuchten Gebieten wurden die Fischerei als Hauptquelle für Plastik identifiziert, etwa Angelleinen, Netze oder ausrangierte Reusen.