Psychosoziale Gesundheit

Corona und Psyche: „Diese Situation hat uns alle überfallen!"

Was löst die Coronapandemie bei den Menschen psychisch aus, speziell bei psychisch Vorerkrankten? Und wie haben Ärztinnen und Ärzte, die pandemiebedingt mit einem noch größerer Workload konfrontiert waren als zuvor, das alles mental verarbeiten können?

red

Kurt Stastka ist Psychiater und leitet als solcher die Abteilung für Psychiatrie an der Klinik Favoriten. Er ist außerdem Leiter des Referates für Psychosoziale, Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin der Wiener Ärztekammer. Im Interview mit fünf Kolleginnen und Kollegen hat er sich dem Thema Corona und Psyche gewidmet.

So sieht Univ. Prof. Johannes Warcata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie, Medizinische Universität Wien und Präsident der ÖGPP (Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie), eine Problematik darin, dass die Corona-Pandemie ein singuläres Ereignis in der Geschichte der Pandemien ist. Zu früheren Infektionskrankheiten gäbe es relativ wenig gesichertes, wissenschaftliches Wissen, das unseren heutigen Ansprüchen genügen würde. Selbsternannte „Aufklärer“ sind in diesem Kontext und grundsätzlich mit erhöhter Vorsicht zu sehen. Seitens der Behandlung psychisch Erkrankter in der Pandemie verortet er eine höhere Gefahr schwerer Erkrankungen durch Sars-CoV-2.

Michael Musalek, Vorsitzender des Psychosozialen Beraterstabes der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums und Vorstand des Instituts für Sozialästhetik und Psychische Gesundheit von der Sigmund Freud Universität, betont ebenfalls die Einmaligkeit der Pandemiesituation. Die Menschen seien quasi durch die Ereignisse überfallen worden und hätte keine wirkliche Bewältigungsstrategie entwickeln können. Wichtig sei es, die Krise nicht reflexhaft alleine bewältigen zu wollen, sondern sich auf den Mensch als solidarisches Gemeinschaftswesen zu besinnen.

Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr.in. Henriette Löffler-Stastka von der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien, Vorsitzende der Sektion Psychotherapie der ÖGPP (Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) sieht eine große Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte darin, die Veranwortung für andere Bevölkerungsgruppen mizudenken. Menschen mit Migrationshintergrund etwa, die skeptisch sind, sollte das Thema Impfen und Testen verständlich nähergebracht werden. Sie sieht das Thema Screening ebenfalls als besonders wichtig, also wer von welchem Angebot von ärztlicher Seite am besten profitiert.

Dr. Georg Psota, Leiter des Psychosozialen Krisenstabs der Stadt Wien und Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien, hat ganz unterschiedliche Aufgaben in den Phasen der Pandemie wahrnehmen müssen. Wichtig waren der Stadt Wien etwa ein zeitnahes Suizidmonitoring, wobei Psota hier erfreulicherweise keinen Trend zu erhöhten Zahlen verortet. Zudem ging es um die schnelle Einrichtung einer Sorgenhotline. Rund 13.000 Menschen haben diese mittlerweile in Anspruch genommen, auch „einige hundert Menschen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, was uns besonders freut, denn diese Menschen suchen sich nicht so schnell Hilfe“, erklärt Psota. Die nächste Herausforderung im Laufe der Pandemie wird laut Psota sicherlich Long Covid werden.

Dr.in Eva Allen, Fachgruppenobfrau Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin der Wiener Ärztekammer sowie Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, sieht die Ärztinnen und Ärzte auch im psychosozialen Spannungsfeld zwischen rechtlichen Fragen und Bedürfnissen von Angehörigen, etwa von Patientinnen und Patienten im Pflegeheim. Es gilt, die Angehörigen zum Beispiel von Demenzkranken hier vernünftig und empathisch aufzufangen. Auch bestehende Angsterkrankungen sind „zum Teil massiv schlechter geworden“, so Allen. 

Den Link zum gesamten Infofilm finden Sie untenstehend.

 

 

 

 

 

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Pandemie, Teuerung und Ukraine-Krieg haben die Ängste der Menschen erwartbar verstärkt.
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