„Infizierte kommen vielleicht nicht ins Krankenhaus, aber sehr viele sind eine Woche krank. Wenn es zu viele auf einmal sind, wird es zum Problem“, so Drosten. Deshalb müsse die Politik bessere Vorbereitungen treffen. „Bevor so viele krank werden, dass man nichts mehr einkaufen kann, dass die Krankenhäuser nicht mehr funktionieren oder kein Polizeibeamter auf der Wache sitzt, muss man Maßnahmen ergreifen“, sagte Drosten der „SZ“. Er forderte die Politik auf, schon jetzt auf einen Konsens hinzuarbeiten, „bei welchen Signalen man wie handeln will“. Denn im „im Notfall braucht es sofortige und durchaus einschneidende Entscheidungen“. Drosten erwartet unter anderem, dass das Maskentragen in Innenräumen wieder notwendig wird.
Auch der Wirtschaft riet er, sich mit Stellvertreterregelungen und Team-Bildung auf eine Krankheitswelle vorzubereiten. „Ich gehe auch davon aus, dass es durchaus auch Firmen geben wird, die mal für zwei Wochen schließen müssen.“
Lauterbach: „Lockdowns nicht mehr vertretbar“
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet indes lediglich mit einer „mittelschweren Welle“ im Herbst. Im Interview der „Rheinischen Post“ (Samstag) zeigte sich der SPD-Politiker zuversichtlich, dass die Regierung „auf alle Szenarien sehr gut vorbereitet“ ist. „Wir werden die Corona-Welle in diesem Jahr im Griff behalten“, sagte Lauterbach mit Blick auf das neue deutsche Infektionsschutzgesetz, das unter anderem das Tragen von FFP2-Masken „in Bussen und Bahnen, im Fernverkehr, in Kliniken und Pflegeeinrichtungen sowie den Arztpraxen“ vorsehe.
„Schließungen von Schulen oder des Gastgewerbes brauchen wir nicht mehr“, sagte der Minister weiter. Auch Lockdowns seien „nicht mehr vertretbar“, es sei denn es gebe wieder eine pandemische Lage. "Die Gefahr sehe ich aber nicht", sagte Lauterbach.
Auch der Greifswalder Bioinformatiker Kaderali, der dem Corona-Expertenrat der Bundesregierung angehört, meinte in den zurückliegenden Monaten seien viele Menschen durch Kontakt mit dem Virus immunisiert worden. Die Infektionszahlen seien gesunken, ohne dass besondere Maßnahmen ergriffen worden sein. „Das bedeutet eben, das Virus ist wirklich durchgelaufen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wegen der breiteren Immunität zusätzlich zu Impfungen rechnet Kaderali nach eigenen Worten damit, dass die Winterwelle nicht allzu heftig wird - zumindest solange keine völlig neue Variante auftaucht. Er gehe eher davon aus, dass sich das Infektionsgeschehen längere Zeit auf dem jetzigen Niveau bewegen werde oder möglicherweise sogar noch etwas zurückgehe.