Reportage
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Sag, wie hältst du´s mit der Tschick?

Jugendliche, die Rauchen extrem uncool finden und ihre Meinung auch noch vehement vertreten? In Österreich, das mit relativ hohen Zahlen bei jungen Rauchern „punktet“, mutet das fast exotisch an. Diese „Exoten“ sind die Schülerinnen und Schüler der 2bk in der Medien Hak Graz. Sie haben dem blauen Dunst den Kampf angesagt. Die Klasse, durchgehend überzeugte Nichtraucherinnen und Nichtraucher, startete ein Projekt frei nach „DON´T SMOKE“. Und hat viel zum Thema Nichtraucherschutz zu sagen.

Eva Kaiserseder/APA

Donnerstag früh, der Zug aus Wien tuckert gemächlich über den Semmering Richtung Süden. Malerische Landschaft, soweit das Auge reicht. Erschöpfte Reisende, die ob der Hitze die fein klimatisierten Waggons genießen. Ich bin auf dem Weg nach Graz, um eine ungewöhnliche Schulklasse zu besuchen und sitze im Abteil mit einem deutschen Ehepaar um die 60, der Empfang ist nicht vorhanden, mein Laptop auf Pause. Glücklicherweise stellen sich meine Mitreisenden als kommunikative, gescheite Zeitgenossen heraus  – Reisegespräche sind ein besonderes Pläsir für mich – und gleich die erste, erstaunte Frage der beiden Düsseldorfer lautet: „Was um Himmels willen ist eigentlich mit eurer Innenpolitik los?“ Und: „Kommt denn nun endlich das Rauchverbot? Ist euch das nicht langsam selber peinlich?“ Gemeinsames Fazit: Das Rauchverbot muss kommen, alles andere wäre tatsächlich peinlich und eine untragbare Geschichte.

Genauso sehen das Dilara, Hannah, Samuel, Timo und Pascal. Die fünf 16jährigen stehen mir Rede und Antwort stellvertretend für ihre Klasse, die 2bk der Medien Hak Graz. Alle sind überzeugte Nichtraucherinnen und Nichtraucher, die  ihre Haltung zum Anlass genommen haben, um ein Projekt inklusive eigenem Logo, Branding und Audiospots gemeinsam mit ihrer BWL-Lehrerin Daniela Fusek zu entwerfen und umzusetzen. Der Titel? „I suffer when you smoke“. Und, viel radikaler, besagtes Logo dazu: „Care if I die?“, untermalt von einer brennenden Zigarette.

„Die Extraraucherzonen helfen doch eh nichts!“

In der Schule angekommen, die in einer Ecke von Graz liegt, wo man sich eher in einer steirischen Kleinstadt wähnt denn in der Landeshauptstadt, werde ich interessiert beäugt und herzlich begrüßt. Die Hitze ist enorm, die Stimmung gut und nach ein paar Minuten ganz normalem Anfangsfremdeln locker und gelöst. Auch der Deutschlehrer der Klasse, Martin Harb-Nieniewska, ist dabei, ein drahtiger, sportlich wirkender Mann, der einst Raucher war und sich mittlerweile zum „radikalen Nichtraucher“ gewandelt hat, wie er selbst sagt.

Nach der Kurzvorstellung des Projektes gehen wir direkt in medias res und starten eine Diskussion. Mich interessiert, welche sachlichen Argumente man als 16jähriger, als 16jährige da ganz konkret als Nichtraucher gegenüber Rauchern hat. Überhaupt ungewolltes Mitrauchen, denn das beschäftigt die Klasse am meisten: „Komplett unkollegiale und verantwortungslosen Raucher“, denen es mehr oder weniger egal ist, wenn andere mitrauchen müssen, wie sie mir sagen. 

Samuel, ein hochaufgeschossener, unaufgeregter Bursche, der für seine 16 Jahre sehr souverän wirkt, findet Passivrauchen „extrem problematisch“, er würde sogar einen Schritt weitergehen und den gesamten öffentlichen Raum komplett rauchfrei machen, denn „diese Dinge wie das Rauchen am Bahnhof in Extrazonen: Ich habe nicht den Eindruck, dass das hilft, der Rauch zieht einfach weiter.“ Auch Hannah, die Leibnizerin mit charmant rollendem R und markanter Brille, stößt ins selbe Horn: „Ich sehe wirklich GAR nicht ein, dass ich das aushalten muss, wenn jemand an der Bushaltestelle neben mir raucht. Sicher ist es nicht leicht, jemandem zu bitten, sich weiter weg zu stellen, das kostet Überwindung, und beim Fortgehen ist es ohnehin noch schwieriger, weil immer einer raucht, aber gerade deswegen wäre es ja so wichtig, dass die Leute endlich kapieren, wie schädlich Passivrauch ist.“ Für die selbstbewusste Dilara, deren Eltern ein Lokal betreiben, war und ist es „wirklich schockierend, wie viele Jugendliche in Österreich rauchen. Da wussten wir, wir wollen etwas tun und haben unsere Kampagne begonnen“.

Das Projekt

Fünf Plakate, die von Samuel, einem begeisterten Hobbyfotografen, und Dilara entworfen bzw. fotografiert wurden. Ein Slogan samt Logo, der durchaus radikal klingt („Care if I die?“) und eine Fülle an Infos, die basierend auf den Zahlen der österreichischen Krebshilfe und Daniela Kuch-Jahns Expertise erstellt wurden. Die Ärztin war am Don´t smoke-Volksbegehren maßgeblich beteiligt. Zusätzlich noch sechs selbsteingespielte Audiospots, deren „making of“ laut Dilara „ziemlich cool und lustig“ war. (Spoiler an dieser Stelle: Sie hören sich auch ziemlich cool an!). – Das ist das Herzstück von „I suffer when you smoke“, der Kampagne, die die 2bk als Marketing-Projekt im Rahmen des BWL-Unterrichts mit ihrer Lehrerin Daniela Fusek konzipiert hat.  

„Für meine Klasse hat sich schnell herausgestellt, dass wir diesmal kein Produkt, sondern ein gesellschaftliches Umdenken in Sachen Tabkakonsum sozusagen bewerben wollen“ so Fusek.  Denn „bei welchem anderen Produkt stehen die Chancen 50:50, dass man an den Folgen des Konsums stirbt?“

Umgehend kristallisierten sich dabei fünf Zielgruppen heraus, denen vor allem das Passivrauchen verleidet werden sollte, nämlich werdende Mütter und Väter, um das Ungeborene zu schützen, Familien mit Kindern, Menschen in Schulen und Bildungseinrichtungen, Stichwort Gruppenzwang, Arbeitnehmer/innen, die dem Rauch in ihren Pausen nicht zu hundert Prozent ausweichen können und Gastro-Beschäftigte, die derzeit großteils im Job noch mitrauchen müssen.

Bei der Kampagne selbst habe die Klasse „nur so vor Ideen gesprudelt“, erzählt die Lehrerin. Das alles unter ein Dach zu bringen, zu organisieren und das knappe Zeitmanagement einzuhalten, war dabei definitiv das schwierigste, so die Schülerinnen und Schüler.

28 Prozent 15- und 16- jährige Raucher gibt es laut aktueller „Health at a glance“ Studie, die alle zwei Jahre europaweit Gesundheitsdaten erhebt. Zumindest die „Laterne“ konnte Österreich hier abgeben: In Bulgarien oder Kroatien rauchen noch mehr Teenager. Ein schwacher Trost, denn „uncool ist es bei uns leider noch nicht wirklich, das ist unser Eindruck“ so die Runde unisono. Daniela Fusek appelliert hier etwa an „eine viel frühere Bewusstseinsbildung, schon in Volksschulen oder in der Unterstufe ist es wichtig, das Thema mit all seinen Gefahren zu durchleuchten und junge Menschen vor den Folgen zu bewahren.“

Martin Harb-Nieniewska, der selbst aus einer Raucherfamilie kommt, findet, dass „man quasi prädestiniert dafür ist, selbst anzufangen, wenn die Eltern rauchen, das ist mehr oder weniger unausweichlich“. Hier wirft der diplomatisch wirkende Pascal allerdings ein, dass rauchende Eltern durchaus auch eine abschreckende Wirkung zeigen können, denn „bei meinen Schwestern, da sehe ich sehr gut beide Seiten. Die eine hat sich aus dem gelegentlichen Rauchen beim Fortgehen zur aktiven Raucherin entwickelt, die andere ist radikal dagegen, weil sie ja sieht, wie abhängig unsere Eltern sind“. Wir sind uns alle einig: Umso wichtiger ist, schon recht jungen Kindern das nötige Wissen mitzugeben, sozusagen ein Mindset zu formen, mit dem sie gar nicht erst in Versuchung kommen. Harb-Nieniewska ergänzt, dass er selber als „Kind der Neunziger“ in einer Atmosphäre aufgewachsen, „wo es rauchfreie Lokale einfach nicht gegeben hat, da musste man mitrauchen als Kind, ob man wollte oder nicht“.

„Bei dem Thema gehts nur mittels Verbot!“

Damit landen wir umgehend beim Thema Verbot: Sind sie sinnvoll oder befeuern sie die „Jetzt erst recht!“- Sager, die sich das Rauchen nicht nehmen lassen wollen, damit exakt noch einmal so richtig? Stichwort Don´t smoke: Fast 900.000 Menschen unterzeichnten das Volksbegehren letzten Herbst. Nun kommt das Gastro-Rauchverbot den neuesten politischen Entwicklungen nach tatsächlich. Ab November soll es, wie schon in vielen anderen europäischen Ländern auch, zum Tragen kommen.

„Absolut sinnvoll und längst überfällig“, meint Harb-Nieniewska dazu. Er betont, „dass es ohne Verbote noch immer so wäre wie zu meiner Zeit, wo man dem Rauch eben nicht entkommen konnte. Raucher, die ja mittlerweile mehr als genug über die Gefahren wissen, ändern trotzdem nichts an ihrem Verhalten, da geht es nur mittels Verbot.“ Im Prinzip würden die Raucher sagen, meine eigene Freiheit steht da drüber, Nichtraucher könnten ja woanders hingehen. „Und bisher wurden sie auch unterstützt dabei“ kritisiert er. Dass damit 30 Prozent über 70 Prozent der Menschen bestimmen, sei „nicht in Ordnung“, fasst er zusammen.

Und was sagen die Schülerinnen und Schüler dazu? Ist mehr Aufklärung über alle Risken inklusive passivrauchen a la longué zielführend oder braucht es in jedem Fall und allen Bereichen ein klares, politisches Stopschild? Vielleicht sogar, ganz radikal gedacht, langfristig ein Verkaufsverbot von Zigaretten?

Ganz nebenbei erwähne ich dann das Thema Impfen, wo die Politik momentan vor der selben Crux steht: Impfpflicht oder doch „nur“ konsequente, hochdosierte Information? Weil es mich interessiert, was diese reflektierten Teenager davon halten. Timo, der bisher noch nichts gesagt hat, aber merkbar für das Thema Nichtrauchen brennt, begeistert sich eindeutig „für ein Verbot. Denn: Kein Raucher hört einfach auf mit dem Rauchen, egal was er darüber Schädliches weiß.“ Samuel merkt allerdings an, „dass ein Verbot bestimmte Dinge noch begehrter macht und das Ganze außerdem emotionalisiert und aufheizt. Allerdings gibt es ja schon genug Aufklärung, beim Impfen und beim Rauchen, selbst auf den Zigarettenschachteln, und das ist einem Raucher meistens ziemlich egal. Ich denke, es muss einen Mittelweg aus beidem geben. Gesetzliche Regelung und viel, viel Aufklärung.“ Victoria, eine der Schülerinnen, die federführend am Projekt beteiligt war, aber bei unserem Round Table nicht dabeisein konnte, hat, klar, ebenfalls eine dezidierte Meinung zum Thema Verbot und meint, dass „striktere Rauchergesetze das Beste wären. In Irland etwa sieht man, dass solche Gesetze wesentlich zur Umwandlung einer Gesellschaft beitragen und das ist nicht das einzige Beispiel. Und ich denke ich auch nicht, dass sich solche Gesetze kontraproduktiv auf die Wirtinnen und Wirte auswirken werden.“

 

Das Endlos-Gerangel ums Rauchverbot

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert wird in Österreich über dieses Thema diskutiert. Ein Überblick:

6. September 1992: Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler (SPÖ) präsentiert mehrere Vorhaben gegen das Rauchen. In der Gastronomie sollen Nichtraucherzonen geschaffen werden.

12. August 2004: Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) und der Obmann der Gastronomiesparte in der Wirtschaftskammer, Helmut Hinterleitner, geben die Einführung einer freiwilligen Selbstverpflichtung bekannt: 30 Prozent der heimischen Speiselokale sollen bis Ende 2004 „rauchfreie Zonen" einrichten, bis Ende 2006 soll der Anteil auf 90 Prozent gesteigert werden.

18. April 2007: Das Gesundheitsministerium unter Andrea Kdolsky (ÖVP) kündigt nach Evaluierung der freiwilligen Selbstverpflichtung für die räumliche Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern eine gesetzliche Regelung an.

31. Oktober 2007: Ein Vorhaben zu Verschärfung des Tabakgesetzes scheitert. Es gibt keine Einigung zwischen ÖVP und SPÖ.

30. April 2008: Die SPÖ-ÖVP-Koalition unter Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) präsentiert ihre Bestimmungen zum Nichtraucherschutz. Demnach soll ab 2009 ein grundsätzliches Rauchverbot in der Gastronomie gelten, unter Voraussetzungen ist Rauchen in abgeschlossenen Zimmern gestattet.

1. Jänner 2009: Mit dem Tabakgesetz tritt ein "grundsätzliches" Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Ausnahmen gibt es allerdings für abgetrennte Raucherzimmer, kleine Gaststätten und Betriebe, die wegen der neuen Regelung einen Umbau durchführen.

30. Juni 2010: Die Übergangsfrist für Umbauarbeiten und Sondergenehmigungen ist zu Ende. Somit dürfen Gastronomen Tabakkonsum nur mehr erlauben, wenn sie über abgetrennte Raucherzimmer verfügen oder die gesamte Verabreichungsfläche nicht größer als 50 Quadratmeter ist.

10. April 2015: Die Regierung einigt sich auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentieren den entsprechenden Gesetzesentwurf. Betriebe, die freiwillig bereits bis zum Juli 2016 auf rauchfrei umstellen, können als Anreiz eine "Prämie" erhalten.

10. Oktober 2017: Vor der Nationalratswahl werden innerhalb der FPÖ Stimmen gegen das absolute Rauchverbot laut. Man würde sich bei Koalitionsverhandlungen dafür einsetzen, dass das derzeit geltende Gesetz nicht verändert wird.

11. Dezember 2017: ÖVP und FPÖ einigen sich auf eine Regelung nach „Berliner Modell", das ab Mai 2018 geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie kommt nicht. Gäste können weiter in abgetrennten Räumlichkeiten Zigaretten konsumieren. Zugleich wird der Nichtraucherschutz für Jugendliche verstärkt.

2. Februar 2018: Die Ärztekammer meldet ihr Volksbegehren an, um das Rauchverbot in der Gastronomie doch durchzusetzen. Das Anliegen wird von fast 900.000 Menschen unterstützt.

4. Juni 2018: Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kündigt den Gang vor den Verfassungsgerichtshof an. Die jetzige Regelung würde nicht funktionieren, wie Messungen und Kontrollen belegen. Eine Entscheidung des VfGH wird für Juni angekündigt.

19. März 2019: Nach drei öffentlichen Hearings, der Einholung zahlreicher Expertenmeinungen und intensiven Debatten wird die Beratungen über das Volksbegehren im Gesundheitsausschuss abgeschlossen.

27. März 2019: Der Nationalrat legt das „Don't smoke"-Volksbegehren ad acta. Ein Antrag der Opposition, die Forderung nach einem kompletten Rauchverbot in der Gastronomie umzusetzen, wird von ÖVP und FPÖ abgeschmettert.

 4. Juni 2018: Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kündigt in einer Pressekonferenz den Gang vor den Verfassungsgerichtshof an. Die jetzige Regelung würde nicht funktionieren, das würden Messungen und Kontrollen belegen.

19. März 2019: Nach drei öffentlichen Hearings, der Einholung zahlreicher Expertenmeinungen und intensiven Debatten wird die Beratungen über das Volksbegehren im Gesundheitsausschuss abgeschlossen.

27. März 2019: Der Nationalrat legt das "Don't smoke"-Volksbegehren ad acta. Ein Antrag der Opposition, die Forderung nach einem kompletten Rauchverbot in der Gastronomie umzusetzen, wird von ÖVP und FPÖ abgeschmettert.

18. Mai 2019: Nach Bekanntwerden des so genannten „Ibiza-Videos“ platzt die ÖVP-FPÖ-Regierung.

6. Juni 2019: Die ÖVP lenkt zum Thema Nichtraucherschutz ein. Nach Ende der türkis-blauen Koalition haben Opposition und Gesundheitsexperten vehement die Rücknahme der Rücknahme des allgemeinen Rauchverbots in der Gastronomie gefordert. ÖVP-Klubobmann August Wöginger gibt nun bekannt, dass seine Partei ihren Widerstand gegen das Gesetz aufgibt. Man werde einem Antrag der ehemaligen Opposition zustimmen, sollte die Regelung nicht ohnehin vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden.

18. Juni 2019: Der VfGH weist den Antrag der Wiener Landesregierung zur Aufhebung der Gastro-Raucherlaubnis ab. Nun ist das Parlament am Zug.

Rauchen ist jedenfalls tatsächlich ein Thema, das keinen kaltlässt, egal ob absoluter Antiraucher, Gelegenheitsraucher oder passionierter Tschickliebhaber. Jeder und jede von uns in dieser Runde hat seine Erfahrungen damit gemacht und ich merke, diese Jugendlichen wollens wirklich wissen, sie wünschen sich richtig viel Aufmerksamkeit für ihre Kampagne und stehen zu eintausend Prozent hinter ihren Ideen. „Nervt ihr die anderen eigentlich schon mit dem Thema?“ frage ich, denn ich habe so eine Ahnung, dass diese Burschen und Mädchen nicht unbedingt zur „Na gut, dann rauchst du halt weiter!“ Fraktion gehören. Lautes Gelächter. Dilara bringt es grinsend auf den Punkt: „Ich glaub wir nerven hin und wieder schon ganz ordentlich, aber nicht weil wir gemein sein wollen, sondern weil es ein echt wichtiges Thema ist und wir einfach das Beste wollen!“

Ich bin jedenfalls extrem angetan von soviel Engagement, mir gefallen diese Teenager, die laut und durchaus goschert und selbstbewusst ihre Meinung sagen. Selbst nach der eigentlichen Diskussion wird noch lebhaft und auf Augenhöhe weiterdebattiert. Und Stichwort nervig, da sind wir uns einig: Der mühsamste Raucherspruch ist das Beispiel von der 90jährigen Urstrumpftant, die täglich ihr Packerl Zigaretten geraucht hat und „nix ist ihr passiert!“. Dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache: Weltweit sind 30 Prozent aller Krebstodesfälle auf das Rauchen zurückzuführen, wobei der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs am eindeutigsten dokumentiert ist. Solange das noch nicht gesickert ist und der Wunsch nach der nächsten Zigarette soviel größer ist als die Angst vorm Krankwerden, wünsche ich mir viel mehr sympathische Nervensägen wie die 2bk. Merci für die Einladung!

 

Wie raucht Europa?

Bei den Erwachsenen liegt Österreich mit 25 Prozent regelmäßigen Rauchern deutlich über dem EU-Schnitt (20 Prozent). Damit ist Österreich Spitzenreiter unter den west- und mitteleuropäischen Staaten. Die geringste Raucherquote hat Schweden mit 11 Prozent, die höchste Bulgarien mit 28 Prozent, gefolgt von Griechenland mit 27 Prozent und Ungarn mit 26 Prozent. Die signifikantesten Rückgänge bei den Rauchern sind in Dänemark, in Irland und in Deutschland zu registrieren.

Frauen rauchen zwar immer noch deutlich weniger als Männer, in Österreich ist jedoch die Lücke zwischen Männern und Frauen eine der geringsten – 26 Prozent der Männer und 22 Prozent der Frauen rauchen hierzulande. Zum Vergleich: In Rumänien rauchen 33 Prozent der Männer, aber nur 8 Prozent der Frauen, in Portugal gibt 24 Prozent männliche Raucher, aber nur 10 Prozent Raucherinnen.

28 Prozent der 15- bis 16jährigen Österreicher rauchen – wobei hier ein gewisser Hoffnungsschimmer existiert, bedeuten die aktuellen Zahlen doch einen Fortschritt im Ranking, denn Österreich konnte die „Laterne" abgeben und wurde mittlerweile von Italien, Bulgarien, Kroatien und der Slowakei überholt. Die vergleichsweise größte Raucherabstinenz bei Jugendlichen herrscht in Schweden und Irland mit jeweils 13 Prozent und Belgien mit 15 Prozent. Belgien und Irland waren aber auch eine der ersten EU-Länder, die Rauchverbote durchsetzten.

Eine IFH-Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass sich  die Gesamtkosten des Rauchens jährlich auf rund 2,4 Mrd. Euro oder 0,7 Prozent des BIP belaufen.

Laut den Berechnungen des IHS sind jährlich rund 12.840 Todesfälle ursächlich auf das Rauchen zurückzuführen – das entspricht 16 Prozent der insgesamt Verstorbenen im Jahr 2016 oder einer/einem Toten alle 41 Minuten. Etwa 230 dieser Todesfälle sind dabei auf das Passivrauchen zurückzuführen. Die Lebenserwartung von AktivraucherInnen reduziert sich dabei im Schnitt um 7,5 bzw. 6,3 Jahre, jene von regelmäßigen PassivraucherInnen um rund 7 Monate.

Die medizinischen Kosten des Rauchens belaufen sich nach dem Lebenszyklusmodell des IHS auf jährlich 630,5 Mio. Euro oder 2,2 Prozent der laufenden Gesundheitsausgaben im Jahr 2016. Die auf Rauchen zurückzuführenden Ausgaben für Pflege, Krankengelder und Invaliditätspensionen, welche unter dem Begriff der nicht-medizinischen Kosten zusammengefasst werden, betragen jährlich 197,5 Mio. Euro.

(Quellen: Österreichische Krebshilfe/Health at a glance/Ärztekammer)

 

Weiterlesen:

Krebshilfe

Tobacco Control Scale

Jugendliche&Nikotin

WHO

Health at a glance: Report 2018

Daniela Fusek
Daniela Fusek hat das Projekt betreut und erzählt, ihre Schülerinnen und Schüler seien „vor Ideen nur so übergesprudelt".
Markus Kukovetz
Logo Care if I die?
Das Logo zur Kampagne haben die Schüler bewusst radikal gestaltet (es verbirgt sich via Mausklick hinter der Zigarette)
Medien Hak Graz
Timo Meßner und Hannah Jöbstl
Timo und Hannah vor einem Plakat der Kampagne. Auf dem Bild ist das Lokal von Dilaras Eltern zu sehen. PS: Die Teenager sind erst via Photoshop zu Rauchern geworden.
Markus Kukowetz
Samuel Hartleb
Samuel ist der fotografische Mastermind hinter der Plakatgestaltung gewesen, „Fotografie ist meine Leidenschaft".
Markus Kukovetz
Dilara Kücükyasar&Pascal Wasserfall
Dilara fand das „making of" der Audiospots „ziemlich cool" und Pascal erklärte in der Diskussion, warum man nicht zwangsweise selbst zum Raucher wird, nur weil man rauchende Eltern hat (Danke für den Blick hinter die Familienkulisse!)
Markus Kukovetz
Martin Harb-Nieniewska
Martin Harb-Nieniewska ist der Deutschlehrer der Klasse, hat alle Texte lektoriert und „superstolz auf das, was sie da geleistet haben!"
Markus Kukovetz
 
© medinlive | 18.04.2024 | Link: https://www.medinlive.at/index.php/gesellschaft/sag-wie-haeltst-dus-mit-der-tschick