Syrische Ärzte in Österreich
Syrische Ärzte in Österreich

„Je mehr Prüfungen, desto besser für die berufliche Zukunft“

Rund 200 syrische Ärztinnen und Ärzte sind seit Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges nach Österreich gekommen. Karam Alahmad ist einer von ihnen. Innerhalb von zwei Jahren gelang es ihm, das Nostrifizierungsverfahren und damit den Weg vom Unfallarzt in Syrien zum HNO-Arzt in Steyr abzuschließen.

Claudia Tschabuschnig

medinlive: Herr Dr. Alahmad, wo haben Sie ihr medizinisches Studium absolviert?

Alahmad: Ich habe an drei Universitäten studiert. Angefangen an einer amerikanischen Universität in Beirut, später das Studium an einer Universität in Jeriwan in Armenien fortgesetzt und schließlich in Weißrussland abgeschlossen. Danach bin ich zurück in meine Heimat nach Syrien gegangen. Mit dem Krieg in Syrien bin ich nach Österreich geflüchtet und musste wieder von vorne anfangen, eine neue Sprache lernen und viele Prüfungen bestehen. Das war nicht leicht.

medinlive: Wie haben Sie beim Stichprobentest, der am Anfang des Nostrifizierungsverfahren steht, abgeschnitten?

Alahmad: Nach dem Stichprobentest wurden mir 14 Prüfungen vorgeschrieben. Zunächst habe ich das als viel und schwierig empfunden, aber dann habe ich gedacht: Es gibt keinen anderen Weg und angefangen zu lernen. Dabei habe ich ein Semester für ein Fach gelernt und viele Bücher, auch russische und arabische Literatur gelesen.

medinlive: 14 Prüfungen klingt nach viel Lernstoff. Haben Sie das als gerechtfertigt empfunden?

Alahmad: Ja. Ich habe es als gut empfunden, dass ich 14 Prüfungen absolvieren musste. Dadurch habe ich meine medizinische Ausbildung auffrischen und meine medizinische Fachsprache verbessern können. Je mehr Prüfungen, desto besser für die berufliche Zukunft. Hätte ich gleich in die Arbeitswelt einsteigen müssen, hätte ich das vermutlich nicht geschafft, aber nachdem ich die 14 Prüfungen absolviert habe, beherrsche ich das System.

medinlive: Wer oder was hat sie während des Nostrifizierungsverfahren am meisten unterstützt?

Alahmad: Die Vernetzung mit den anderen Antragstellern war am wichtigsten für mich. Sehr sinnvoll empfinde ich auch die Vernetzungstreffen, die seit drei Jahren vom Verein der Österreichisch-Arabischen Ärzte und der Apotheker Vereinigung organisiert werden. Dabei werden Information und Erfahrungen ausgetauscht. Diese Treffen finden einmal monatlich in Wien und anderen Bundesländern statt.

medinlive: Was hat sich als größte Herausforderung herausgestellt?

Alahmad: Die Sprache zu lernen, war die größte Herausforderung für mich, aber auch, die richtigen Informationen für die Vorbereitung auf die Prüfungen zu erhalten.

medinlive: Haben sie medizinische Fachsprachkurse besucht? Wenn ja, wie sinnvoll finden Sie diese?

Alahmad: Ich habe nur einen Kurs besucht, allerdings wurde dieser von einem Spracheninstitut organisiert. Die Lehrenden waren fachfremd und konnten nur die Fachwörter vermitteln. Es war zwar ein gutes Angebot, aber hat mir persönlich wenig gebracht.

medinlive: Wo im Verfahren sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Alahmad: Wichtig fände ich eine Online-Plattform, die konkreter über Prüfungsinhalte und Schwerpunkte informieren würde, etwa auch in Form eines Fragenkatalogs. Diese Informationen müssten immer neu aktualisiert werden, gerade bei der Weiterentwicklung von Operationsmethoden.

medinlive: Haben Sie auch überlegt den Nostrifizierungsantrag in einem anderen Land, etwa in Deutschland, zu stellen?

Alahmad: Ja, ich hatte auch einen Bescheid für die Nostrifizierung in Deutschland gestellt, aber das Verfahren hat auch lange gedauert. Als ich den positiven Bescheid bekommen habe, hatte ich in Wien schon das Verfahren begonnen und wollte es auch abschließen. Was die Praxis betrifft, bevorzuge ich die Basisausbildung in Österreich, bei der man viele Fächer durchläuft und dann sein präferiertes Fach auswählen kann. Einen Vorteil, den ich im System in Deutschland sehe ist, dass in deutschen Krankenhäusern ein Oberarzt mehrere Assistenten ausbilden kann, während in Österreich nur ein Assistent ausgebildet werden kann. Deswegen gibt es hier viele Oberärzte, aber nur wenige Assistenten. In Deutschland zeigt sich das umgekehrte Bild. Dadurch werden noch weniger Ärztinnen und Ärzte ausgebildet.

medinlive: Sie haben das Nostrifizierungsverfahren vor vier Jahren abgeschlossen, was haben Sie bei anderen Antragstellern beobachtet?

Alahmad: Rund 50 syrische Ärztinnen und Ärzten, die in den vergangenen Jahren nach Österreich kamen, arbeiten inzwischen im Krankenhaus. Darunter waren auch Antragsteller, die bereits nach einem Monat das Nostrifizierungsverfahren abgeschlossen haben. Diese „Schnellen“ hatten allerdings viele Sprachprobleme und auch ein veraltetes medizinisches Wissen. Deswegen würde ich für angemessen lange Verfahren plädieren, aber natürlich nicht länger als zwei Jahre. Dass das Sprachniveau für die Berufsberechtigung von B2 auf C1 angehoben wurde, finde ich daher sehr wichtig. Was ich beobachtet habe ist, dass Antragsteller vor allem die medizinische Sprache verbessert haben, aber Schwierigkeiten hatten mit der deutschen Sprache und besonders der Umgangssprache. Ich zähle auch zu dieser Gruppe und musste mich erst an den Dialekt gewöhnen. Aber wäre ich noch weiter nach Westösterreich gegangen, wäre es noch schwieriger, da hätte ich keine Chance (lacht).

medinlive: Derzeit arbeiten sie als HNO-Arzt in Steyr. Wie hat sich die Stellensuche gestaltet?

Alahmad: Ich habe Unterstützung von einer Agentur in Wien erhalten. Es war grundsätzlich schwierig, eine Stelle als HNO-Arzt zu finden. Jetzt bin ich sehr zufrieden, als HNO-Arzt in Österreich zu arbeiten.

medinlive: War die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde auch früher ihr Fachgebiet?

Alahmad: Nein, ich habe in Syrien als Notfallarzt gearbeitet. Damals war mein Wunsch allerdings in Richtung plastische Chirurgie zu gehen. Aber das hat sich nicht mehr ergeben. Vielleicht schlage ich nach der HNO-Ausbildung diese Richtung ein. Ich brauche noch drei Jahre für meine Facharztausbildung.

medinlive: Wie erleben Sie den beruflichen Alltag in Österreich im Vergleich zu ihrem Heimatland?

Alahmad: In Österreich ist der Dokumentationsaufwand viel größer. Hier muss man alles dokumentieren, in Syrien nur die Diagnose und Therapie. Auch ist die Arbeitszeit mit acht Stunden und Nachtdiensten in Österreich länger. In Syrien habe ich durchschnittlich sechs Stunden pro Tag gearbeitet.

medinlive: Haben Sie Unterschiede festgestellt in der Kommunikation zwischen Arzt und Patienten in Syrien  und Österreich?

Alahmad: Ja. In Syrien vertrauen die Patienten einfach auf die Einschätzung der Ärztin oder des Arztes. Nur selten wollen sie genaueres zu der Behandlung wissen, in Österreich ist das anders. Da kann es mitunter zu Diskussionen kommen.

„In Syrien vertrauen die Patienten einfach auf die Einschätzung der Ärztin oder des Arztes. Nur selten wollen sie genaueres zu der Behandlung wissen, in Österreich ist das anders.“
Dr. Karam Alahmad
„In Syrien vertrauen die Patienten einfach auf die Einschätzung der Ärztin oder des Arztes. Nur selten wollen sie genaueres zu der Behandlung wissen, in Österreich ist das anders“, sagt der syrische Arzt Dr. Karam Alahmad.
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© medinlive | 19.04.2024 | Link: https://www.medinlive.at/index.php/gesundheitspolitik/je-mehr-pruefungen-desto-besser-fuer-die-berufliche-zukunft