Hass im Netz

Tote Ärztin: E-Evidence-Verordnung soll Täterausforschung erleichtern

Dass sich die strafrechtlichen Ermittlungen um die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr schwierig gestaltet haben, hat in den vergangenen Tagen für Irritationen gesorgt. Das Justizministerium hofft, dass zukünftig die E-Evidence-Verordnung die Ausforschung von Tatverdächtigen erleichtert, die im Internet hetzen und zu Gewalt aufstacheln.

red/Agenturen

Wie es am Mittwoch auf APA-Anfrage aus dem Ministerium hieß, soll die E-Evidence-Verordnung, die gerade finalisiert wird, die nationalen Regelwerke ergänzen. „Damit soll ermöglicht werden, dass die österreichischen Staatsanwaltschaften direkt bei Dienstanbietern Auskünfte über Teilnehmer-, Zugangs-, Verkehrs- oder Inhaltsdaten einholen können, ohne zuvor um Rechtshilfe bei einer Behörde im Ausland ansuchen zu müssen“, teilte ein Sprecher mit. Das könnte auch die Ermittlungsarbeiten im Fall der oberösterreichischen Ärztin beschleunigen, „da auch hier Täter aus dem Ausland ihre Hassbotschaften versendet hatten“.

Dass die gegen Kellermayr gerichteten Drohungen nun von der Staatsanwaltschaft München strafrechtlich geprüft werden, weil der Tatverdächtige in Deutschland wohnhaft ist und damit bei gefährlicher Drohung keine inländische Zuständigkeit gegeben ist, hat aus Sicht des Justizministeriums auch Vorteile: „Diese hat üblicherweise eine bessere Handhabe, um den Tatverdächtigen vernehmen zu lassen bzw. vor Ort der Polizei Ermittlungsmaßnahmen anzuordnen.“ Man prüfe aber derzeit, ob durch eine Ausweitung der inländischen Zuständigkeit eine raschere Ermittlungstätigkeit ermöglicht werden könnte. „Auf den ersten Blick sprechen allerdings gute Gründe dafür, dass die ortsansässigen Behörden hier schneller handeln können und damit schlagkräftiger sind.“

Rechtsbehelfe brauchen „eine gewisse Zeit“

Das Justizministerium betonte am Mittwoch, dass das Hass im Netz-Gesetz von virtuellen Drohungen und Demütigungen Betroffenen über das Strafrecht hinausgehend zivilrechtliche Möglichkeiten biete, etwa Mahnverfahren. Ermittlungen und andere Rechtsbehelfe bräuchten allerdings „eine gewisse Zeit“, insbesondere wenn Tatverdächtige im Ausland ausgeforscht werden müssen bzw. gegen solche ermittelt wird.

Das Maßnahmenpaket gegen „Hass im Netz“ ist mit 1. Jänner 2021 in Kraft getreten. Seither können bei den Bezirksgerichten Löschungen von Hass-Nachrichten beantragt und bei den Landesgerichten Verfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) bzw. Beleidigung (§ 115 StGB) in die Wege geleitet werden. Die Anzahl dementsprechender Verfahren ist seither stark gestiegen, zeigen Zahlen des Justizministeriums.

Konkret wurden im Jahr 2020 insgesamt 448 Anzeigen wegen übler Nachrede verzeichnet, 34 führten zu Anklagen, 23 zu Verurteilungen. Im Vorjahr waren es dann bereits fast doppelt so viele Anzeigen, nämlich 888. Die Anklagen vervielfachten sich auf 206, 53 Verurteilungen wurden registriert. Im heurigen Jahr schienen bis Ende Juli 464 Anzeigen, 65 Anklagen und 70 Verurteilungen auf.

Wegen Beleidigung kam es 2020 zu 874 Anzeigen, davon hatten 258 Anklagen und 133 Verurteilungen zur Folge. Im Vorjahr erhöhten sich die Anzeigen dann sprungartig auf 1.130, bei 251 Anklagen kam es zu 126 Verurteilungen. Im heurigen Jahr wurden bis Ende Juli 576 Anzeigen, 171 Anklagen und 94 Verurteilungen verzeichnet.