In der Entscheidungsforschung werde einerseits sprachliche und andererseits nonverbale Kommunikation zwar intensiv erforscht, wie sich die beiden Herangehensweisen aber zueinander verhalten, ist weniger oft Gegenstand von Studien, erklärte Günther Knoblich von der CEU im Gespräch mit der APA. Daher versuchten er und sein Kollege Mateusz Woźniak die Kommunikations- und Wahrnehmungskanäle zwischen den Studienteilnehmern bestmöglich zu kontrollieren.
In drei verschiedenen Experimenten, die nun im Fachjournal „Royal Society Open Science“ vorgestellt wurden, saßen einander Versuchspersonen ohne Sichtkontakt vor einem Computer gegenüber. Als Ziel wurde ausgegeben, dass sie beim „Schere, Stein, Papier“-Spiel möglichst oft beide das gleiche Symbol auswählen sollten (kooperative Bedingung). Ihnen standen jeweils unterschiedliche Formen der Abstimmung zu Verfügung: Einmal konnten sie nur die Entscheidung des anderen sehen, aber nicht kommunizieren, beim zweiten Experiment konnten sie ein kleines Stück weit kommunizieren, in dem sie eine Taste betätigten oder nicht, im dritten Versuchsaufbau konnten sie ganz einfach miteinander sprechen.
Möglich mit minimalster Information übereinander sich ein Stück weit zu koordinieren
Konnten die Personen nur die Auswahl des anderen beobachten, schafften es die Spieler, die Rate an gleich gewählten Symbolen über die Zeit hinweg ein Stück weit zu steigern. Allerdings lag man im Schnitt in weniger als 50 Prozent der Durchgänge auf einer Linie. „Sie versuchen also, sich in ihren Entscheidungen vorhersagbar für den anderen zu machen und lernen auch, den anderen besser vorherzusagen“, so Knoblich. Selbst mit minimalster Information übereinander, sei es also möglich, sich zumindest ein Stück weit zu koordinieren.
Im zweiten Versuchsaufbau konnten die Personen vor den Durchgängen entweder eine Taste drücken oder nicht - also ein Bit an Information austauschen. So konnte ein Teilnehmer beispielsweise immer die Taste drücken, wenn er „Papier“ wählte. Tatsächlich konnten die Paare so ihre Übereinstimmung auf um die 50 Prozent erhöhen. Sie schickten einander also über den Tastendruck Minimal-Informationen und achteten weiter darauf, vorhersagbar zu bleiben. Steht die volle Kommunikation nicht zur Verfügung, „bleiben die Vorhersage-Prozesse, die mehr über die Wahrnehmung laufen, aktiv“, so Knoblich.
Im dritten Experiment konnten sich die Versuchspersonen dann einfach absprechen. Erwartungsgemäß trifft man dann sehr schnell übereinstimmende Entscheidungen. Sobald sich die Personen absprechen konnten, wurden keine Anstalten mehr gemacht, die Entscheidungen für das Gegenüber prinzipiell ausrechenbarer zu machen. Die sprachliche Kommunikation ersetze also den Versuch, sich vorhersagbarer zu machen, komplett, so Knoblich: „Dadurch entsteht mehr Freiraum für die Handlung selbst."
In weiterer Folge wolle man klären, unter welchen Umständen und bis zu welchem Punkt Menschen beide Koordinationsstrategien nebeneinander anwenden. „Wir haben da erst einmal kurz hineingebohrt“, so der Wissenschafter, der sich in Zusammenarbeit mit Kollegen im Rahmen eines vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen eines hochdotieren „Synergy Grant“ mit dem Thema „Koordination, Kommunikation und kulturelle Übertragung“ auseinandersetzt. Zum Beispiel in der Musik oder im Tanz könnte man durchaus eine Vielzahl an Misch-Mustern finden, meint Knoblich.
Das Paper in „Royal Society Open Science": https://doi.org/10.1098/rsos.220577; Informationen zum ERC-Projekt: https://cordis.europa.eu/project/id/609819