Gerichtssache

Pflegeheim-Prozess in St. Pölten: Zwei weitere Beschuldigte befragt

Im Prozess um Vorfälle in einem Pflegeheim in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) sind am Donnerstag am Landesgericht St. Pölten zwei weitere Beschuldigte befragt worden. Einem Quartett - bestehend aus drei Frauen und einem Mann - wird vorgeworfen, Bewohner körperlich misshandelt, gequält, missbraucht, beschimpft und bespuckt zu haben. Die vier Angeklagten hatten sich beim Prozessauftakt am Mittwoch allesamt nicht schuldig bekannt.

Bernhard Salzer/red

Der am Donnerstagvormittag befragte 36-jährige Drittangeklagte war in dem Heim als Pflegeassistent tätig, durfte nach eigenen Angaben verordnete Medikamente verabreichen. Dass er darüber hinaus Arzneimittel verabreicht haben soll, bestritt der Niederösterreicher. Bewohner seien „fordernd“, die Personaldecke dünn gewesen. Eine Einschulung habe er nicht bekommen.

Generell fußen die Vorwürfe auch auf Chats der vier Beschuldigten in einer WhatsApp-Gruppe. Geschrieben wurde dort u.a. über Medikamente und - oft in äußerst abfälliger Weise - über Bewohner. Der 36-Jährige bezeichnete die Vorgehensweise als „Puffer, um Druck abzulassen“ und äußerte sich damit ähnlich wie die beiden Erstangeklagten bei ihrer jeweiligen Befragung am Mittwoch. Es sei „überspitzt und provokativ geschrieben“ worden. Dennoch habe er „immer jeden Bewohner korrekt behandelt“. Neu im Vergleich zum Vortag war die Äußerung des Drittangeklagten, dass die Handy-Konversation geführt worden sei, um „den Schein“ für eine ebenfalls in der Chatgruppe anwesende Kollegin zu wahren, die es auf der Station stets ruhig haben wollte. Die beiden Erstangeklagten zogen diesbezüglich am Donnerstag in einer Erklärung nach. Die vorsitzende Richterin hegte jedoch Zweifel an dieser Darstellung.

Von der 39-jährigen Viertangeklagten war am Nachmittag nur wenig über die WhatsApp-Gruppe zu erfahren. Sie sei selbst nur rund zwei Wochen lang Mitglied gewesen und habe „nicht viel gelesen und nicht geschaut“.

Die ehemalige 24-Stunden-Betreuerin absolvierte später eine Heimhilfe-Ausbildung und war ab März 2020 in der Einrichtung im Bezirk Tulln tätig. Den Vorwurf, dass sie einen Bewohner geschlagen haben soll, verneinte die rumänische Staatsbürgerin vehement. Auch Medikamente habe sie „nicht angegriffen und nicht verabreicht“.

Mehrere Anklagepunkte

Die Anklagepunkte betreffen Quälen und Vernachlässigen wehrloser Personen, fortgesetzte Gewaltausübung und sexuellen Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen im Tatzeitraum März 2020 bis März 2021. Die Anschuldigungen drehen sich laut Staatsanwaltschaft um „massive Misshandlungen an Opfern, die eigentlich in Obhut der Angeklagten standen, um die sie sich eigentlich kümmern mussten“. Als schwerwiegendster Vorwurf wurde die Verabreichung von Schlafmitteln und starken Psychopharmaka, um ruhige Dienste zu haben, genannt.

Zwei Kolleginnen hatten Vorfälle beobachtet und im März 2021 der Leitung des Senecura-Heims gemeldet. Die Dienstverhältnisse mit den vier Mitarbeitern wurden sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe beendet. Die stark pflegebedürftigen Opfer sind nicht aussagefähig.

Fortgesetzt wird die Schöffenverhandlung am 23. Februar. Weitere Termine sind für 2., 16. und 30. März geplant. Dabei sollen u.a. ehemalige Kollegen befragt werden. Im Fall einer Verurteilung drohen dem Quartett bis zu zehn Jahre Haft.