Umfrage

Hindernisse und Herausforderungen für Frauen in der Medizin

Das bei Weitem am häufigsten genannte Karrierehindernis waren die Familienplanung und Kinderbetreuung: Fast zwei Drittel aller Ärztinnen in Österreich (61 Prozent) sehen diesen Punkt als Bremse in Sachen Aufstieg. Am zufriedensten mit ihrem Beruf sind niedergelassene Fachärztinnen (80 Prozent), am wenigsten zufrieden sind Ärztinnen in Ausbildung (Anteil der mäßig bis wenig Zufriedenen: 44 Prozent).

 

 

 

red

Krankenhausbetreiber müssen mit den Gemeinden und Privatinitiativen intensiv zusammenarbeiten, um Spitalsärztinnen eine flexible Kinderbetreuung in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Ausfallszeiten durch Karenz sowie Teilzeit für Ärztinnen gehören fix in die Personalbedarfsplanung der Krankenhausträger. Und Karrieremodelle sollten so gestaltet sein, dass sie auch für Ärztinnen in Frage kommen.

Das sind einige der Forderungen, die Petra Preiss, Referentin für Gender-Mainstreaming und spezifische Berufs- und Karrieremodelle von Ärztinnen der ÖÄK anlässlich des bevorstehenden Welt-Frauentags am 8. März 2019 aufstellt. Denn obwohl die Medizin immer weiblicher wird – 48,41 Prozent der österreichischen Medizinabsolventen sind bereits weiblich, bei den Studienanfängern sind es sogar 54,09 Prozent –, haben Ärztinnen nach wie vor mit Benachteiligungen sowie massiven Karrierehemmnissen zu rechnen, sowohl die Ausbildung als auch die ärztliche Tätigkeit danach betreffend.

Das hat auch eine Studie bestätigt, die kürzlich im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer von Peter Hajek Public Opinion Strategies erstellt wurde (Onlinebefragung von 2.497 österreichischen Ärztinnen = 11,3 Prozent der Grundgesamtheit von ca. 22.050 Ärztinnen). Demnach sind Familienplanung und Kinderbetreuung nach wie vor zentrale Karrierehindernisse für Frauen in der Medizin. Auch zu wenig Förderung durch Vorgesetzte bzw. in der Turnusausbildung sowie die Bevorzugung von Männern im beruflichen Alltag behindern die Karriere – wobei dabei auch Männernetzwerke ein Thema sind.

Weiters sind 33 Prozent der Ärztinnen nicht in dem Fachbereich tätig, auf den sie sich ursprünglich spezialisieren wollten, bei 42 Prozent von ihnen war die Familienplanung ausschlaggebend dafür. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird mit einem Mittelwert von 3,2 „nur sehr mäßig“ beurteilt, wie Studienautorin Alexandra Siegl ausführt.

67 Prozent der Ärztinnen, die Kinder haben, haben den Großteil der Kinderbetreuung selbst übernommen, nur bei mageren 6 Prozent hat dies der Partner getan. Karriereeinbußen werden damit einhergehend vorwiegend bei Frauen geortet. Frauenfeindliches Verhalten ist (auch) im medizinischen Bereich ein Problemthema, auch wenn sexuelle Übergriffe die absolute Ausnahme sind: „Meist handelt es sich um geringschätzige und/oder anzügliche Bemerkungen, die von einer Mehrheit der Ärztinnen erlebt oder beobachtet werden“, so Siegl.

Die Umfrageergebnisse im Detail

Insgesamt sind 75 Prozent der Ärztinnen mit ihrer Karriereentwicklung (sehr) zufrieden (26 bzw. 49 Prozent). Diesem an sich erfreulichen Wert stehen aber immerhin 23 Prozent der Befragten gegenüber, die unzufrieden mit ihrer Karriereplanung sind – wobei auffällig ist, dass dies vor allem Spitalsärztinnen betrifft: 30 bzw. 26 Prozent der in Ausbildung stehenden bzw. danach im Spital tätigen Ärztinnen gaben an, unzufrieden mit ihrer Karriereentwicklung zu sein, während es bei den niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen bzw. Fachärztinnen lediglich 13 bzw. 9 Prozent waren.

Das bei Weitem am häufigsten genannte Karrierehindernis waren die Familienplanung und Kinderbetreuung: Fast zwei Drittel aller Ärztinnen in Österreich (61 Prozent) sehen diese Parameter als Grund dafür, beruflich nicht entsprechend weiterzukommen. Danach folgen mit jeweils ähnlichen Werten zu wenig Förderung durch Vorgesetzte (37 Prozent), zu wenig Förderung in der Turnusausbildung in relevanten Wissensbereichen (32 Prozent), die Bevorzugung von Männern bei interessanten Jobs bzw. Führungspositionen (31 Prozent) sowie der Umstand, dass Ärztinnen generell weniger zugetraut wird als Ärzten (30 Prozent, Mehrfachnennungen möglich).  Auch interessant: Immerhin jede vierte Ärztin vermisst ein ausreichendes berufliches Netzwerk. Und insgesamt 74 Prozent meinen, dass Männer im Arztberuf über bessere Netzwerke verfügen und sich gegenseitig stärker zu interessanten Jobs verhelfen als Frauen. Preiss sieht hier die Ärztinnen in einer Art Doppelmühle: „Netzwerke aufzubauen ist zeitintensiv, und die Mehrfachbelastung lässt dafür wenig Raum. Frauen werden sich aber trotzdem in Zukunft zusammentun müssen, die Ärztekammer und wir als Genderreferat können da mithelfen.“

Ähnlich ernüchternd aus Ärztinnensicht ist die Beantwortung der Frage, ob Frauen in ihrer Karriere von Vorgesetzten bzw. Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen unterstützt werden wie Männer. Nicht einmal jede vierte Ärztin (23 Prozent) glaubt dies, während 66 Prozent der Meinung sind, dass Männer mehr unterstützt werden. Was ein bisschen hoffnungsfroh stimmt: Bei den Ärztinnen in Ausbildung, also den jungen Kolleginnen, sind es immerhin 27 Prozent, die von einer Chancengleichheit ausgehen. Dass Frauen in ihrer Karriereplanung mehr unterstützt werden als ihre männlichen Kollegen, hat übrigens kaum eine der 2497 befragten Ärztinnen angegeben (unter 1 Prozent).

Nicht in jenem Fachbereich gelandet, in den man ursprünglich wollte

Nur knapp zwei Drittel aller Ärztinnen in Österreich (60 Prozent) sind in jenem Fachbereich tätig, auf den sie sich ursprünglich spezialisieren wollten, ein Drittel (33 Prozent) hingegen musste entgegen den Anfangserwartungen auf einen anderen Fachbereich ausweichen. Als Gründe dafür wurden „es hat sich so ergeben“ (52 Prozent), wiederum Familienplanung und Kinderbetreuung (42 Prozent), zu wenig Förderung durch Vorgesetzte (22 Prozent) sowie das Fehlen eines beruflichen Netzwerks bzw. der Umstand, dass relevante Jobs bzw. Führungspositionen lieber an Männer vergeben werden (jeweils 18 Prozent, Mehrfachnennungen möglich), angegeben.

Hinsichtlich der Art der ärztlichen Tätigkeit hat sich gezeigt, dass fast die Hälfte der angestellten Ärztinnen im Spital bleiben möchte (46 Prozent), währenddessen 39 Prozent als niedergelassene Ärztinnen bzw. in einem sonstigen angestellten Dienstverhältnis (z.B. Ambulatorium) arbeiten möchten. Als Gründe für die Niederlassung gelten bessere Arbeitszeiten (keine Nacht- und Wochenenddienste, 75 Prozent jener, die in Zukunft niedergelassen/freiberuflich arbeiten möchten), die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (66 Prozent), „ich wollte schon immer meine eigene Chefin sein“ (59 Prozent) sowie Unzufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung im Spital (38 Prozent, Mehrfachnennungen möglich). Lediglich 28 Prozent der befragten Ärztinnen gaben an, dass es schon immer/schon länger ihr Wunsch sei, in die Niederlassung zu gehen.

Als besonders belastende Faktoren im Arbeitsalltag werden von den angestellten sowie freiberuflich tätigen Ärztinnen vornehmlich zu viel Bürokratie (65 bzw. 62 Prozent), zu wenig Zeit für Patienten (46 bzw. 39 Prozent) sowie die Nacht- und Bereitschaftsdienste (angestellte Ärzte: 39 Prozent) und zu geringe Unterstützung durch die Sozialversicherungsträger (freiberuflich tätige Ärztinnen: 32 Prozent, Mehrfachnennungen möglich) genannt.

Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfte mit ein Grund dafür sein, dass deutlich mehr Spitalsärztinnen in den Wahlarztbereich (61 Prozent jener, die in Zukunft niedergelassen arbeiten möchten) tendieren als in den Kassenbereich (20 Prozent; Rest: weiß nicht/keine Angabe). Preiss erklärt sich dies mit einem anderen schon lange bekannten Faktum, das auch durch die aktuelle Studie wieder untermauert wurde. Demnach gaben 67 Prozent der befragten Ärztinnen an, den Großteil der Kinderbetreuung übernommen zu haben; umgekehrt waren es nur 6 Prozent. Beim Rest, also einem Viertel der Familien, wurde gerecht geteilt. Preiss: „Familienarbeit ist auch in Arztfamilien immer noch Frauenarbeit. Es stimmt also nach wie vor das Klischee, wonach der Mann Karriere macht, währenddessen die Frau jene beruflichen Nischen sucht, die in Einklang mit der Kinderbetreuung stehen.“

Wobei die Strategie für die niedergelassenen Ärztinnen nicht wirklich aufgehen dürfte: Bei der Frage, wie gut für Ärztinnen Beruf und Familie vereinbar sind, gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen niedergelassenen und angestellten Ärztinnen. Demnach beurteilten niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und niedergelassene Fachärztinnen diese Frage mit einem Wert von 3,3, bzw. 3,1 (1 = sehr gut vereinbar, 5 = überhaupt nicht gut vereinbar), bei den in Ausbildung stehenden bzw. danach im Spital tätigen Ärztinnen waren es 3,3 bzw. 3,2.

Eingeschränkte Karrieremöglichkeiten

Eindeutig sind auch die Werte, wenn es um die jeweiligen Karrieremöglichkeiten geht. Auf die Frage, ob Frauen im ärztlichen Beruf durch Kinder im Durchschnitt größere Karriereeinbußen erleiden als Männer, antworteten 66 Prozent mit „ja, auf jeden Fall“ und 29 mit „eher ja“. Lediglich 3 Prozent verneinten die Frage. Auffallend ist hier eine gewisse Altersschere: Jüngere Ärztinnen sind bei dieser Frage noch pessimistischer als ältere („ja, auf jeden Fall“: in Ausbildung stehende Ärztinnen 75 Prozent, danach im Spital tätige Ärztinnen bzw. niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und Fachärztinnen zwischen 58 und 64 Prozent).

Wobei sich auch die Unterstützung seitens der Dienstgeber in Grenzen halten dürfte. So haben lediglich 10 Prozent der befragten Spitalsärztinnen angegeben, vom Arbeitgeber in Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr unterstützt zu werden, immerhin 17 Prozent gaben an, überhaupt keine Unterstützung zu erfahren. Der Mittelwert beträgt hier 3,1 (1 = sehr gut, 5 = gar nicht gut). 

Auch wurden mögliche frauenfeindliche Erfahrungen im Beruf abgefragt. Gleich vorweg: Von sexuellen Übergriffen durch Vorgesetzte oder Kollegen haben „nur“ 1 Prozent („selbst erlebt“) bzw. 3 Prozent („bei anderen mitbekommen“) berichtet. Deutlich höher ist der Prozentsatz jener, die über geringschätzige Bemerkungen gegenüber Ärztinnen (47 / 27 Prozent) bzw. unerwünschte anzügliche Bemerkungen (43 / 21 Prozent) klagen. Preiss: „Wir beobachten hier eine deutlich höhere Sensibilisierung in den letzten Jahren, natürlich auch dank der aktuellen MeToo-Debatte. Trotzdem muss es unser Ziel sein, in Zukunft verstärkt darauf hinzuarbeiten, dass Übergriffe, auch wenn sie nur in verbaler Hinsicht erfolgen, als Grenzüberschreitung gesehen werden, die unter keinen Umständen toleriert werden kann.“

Die gute Nachricht zum Schluss: Immerhin 62 Prozent der befragten Ärztinnen sind grundsätzlich (sehr) zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Lediglich 3 Prozent haben bei der Umfrage „gar nicht zufrieden“ angegeben. Am zufriedensten sind niedergelassene Fachärztinnen (80 Prozent), am wenigsten zufrieden sind Ärztinnen in Ausbildung (Anteil der mäßig bis wenig Zufriedenen: 44 Prozent).

Ärztin anonym
Insgesamt gibt es dem Marburger Bund zufolge 34 Unikliniken in Deutschland. 23 davon fallen vollständig unter diesen Tarifvertrag. 20.000 Ärztinnen und Ärzte sind betroffen.
MartaOrtiz_iStock
„Netzwerke aufzubauen ist zeitintensiv, und die Mehrfachbelastung lässt dafür wenig Raum. Frauen werden sich aber trotzdem in Zukunft zusammentun müssen (..)". - Petra Preiss