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Transgender-Ambulanz

Thematik häufig nicht so wichtig genommen

In der Transgender-Ambulanz am Wiener AKH nimmt Ulrike Kaufmann die Patient:innen als Individuum in den Blick, stülpt keine Normwerte oder Richtlinien über sie. In vielen Bereichen muss aber noch viel näher hingesehen werden, etwa auf die Brustgesundheit von Transfrauen, sagt sie in einem Interview anlässlich der „Pride Days“.

Claudia Tschabuschnig

Wenn das Geschlecht gewechselt wird, werden auch die Normwerte angepasst. Das heißt auch, dass Patient:innen dann mit anderen Krankheitsrisiken konfrontiert werden. Das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. Ein Faktum, das oft zu wenig betrachtet wird.

In vielen Fällen muss hier das Bewusstsein von den Klient:innen kommen, etwa bei der Brustvorsorge. Generell gebe es in diesem Bereich noch wenig Daten, sagt Kaufmann. Studien über hormonelle Auswirkungen werden derzeit meist an Menschen durchgeführt, bei denen Hoden und Eierstöcke entfernt wurden.

Kaufmanns Faszination gilt den Hormonen. Sie stimmt diese für jeden Patient:innen ab, teilweise ein Balanceakt, bei dem es vieles zu beachten gibt. So wirken Hormone etwa anders, ob sie zum Beispiel auf dünner oder dicker Haut aufgetragen werden. Die Zugabe von Testosteron etwa führt zu Polyglobulie und langfristig zu Bluthochdruck. Beim Blutbefund heißt das etwa, dass wenn eine weiblich geborene Person ihr Geschlecht ändert, es häufig korrekt ist, wenn die Normwerte des Gegengeschlecht zum Vergleich hergenommen werden.

Wunsch nach mehr Akzeptanz

Für die Bewertung kann Kaufmann auf 23 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Lange Zeit als „One Woman-Show“, kann sie mittlerweile im Krankheitsfall auch vertreten werden. Für die Patient:innen nimmt sie sich oft eine halbe Stunde Zeit, beim Erstgespräch auch eine Stunde. Ein Luxus, der zu Pandemiebeginn ins Stocken kam.

Im ersten Jahr der Pandemie musste die Ambulanz geschlossen bleiben. Das erhöhte den Leidendruck für Menschen, die sich schon unwohl in ihrem Körper fühlen und dann auch noch während der Lockdowns zuhause eingesperrt waren. Und Patient:innen, die unter Hormon-Ersatztherapie standen, konnten nicht zu Kontrollterminen. Mit der Folge, dass es zum Teil zur Überdosierung von Hormonen kam. Für viele Spritzen gilt es genaue Intervalle einzuhalten.

„Vieles war chaotisch“, sagt Kaufmann rückblickend. Zwar versuchte sie weiterhin die Patient:innen bestmöglich per Telemedizin, meist per E-Mail zu behandeln, aber vieles war dort nicht möglich. Häufig gelang es etwa nicht, zeitnah Befunde einzusehen, da parallel alle Informationen im System des Krankenhauses dokumentiert werden mussten, ein immenser bürokratischer Aufwand, der viele Ärzt:innen betroffen hat.

Dass die Ambulanz im AKH zu Corona-Pandemie geschlossen wurde, sieht Kaufmann als Zeichen dafür, dass die Thematik als nicht so wichtig genommen wird. Bestrebungen, die Abteilung zur Gänze aufzulassen, wie Christian Egarter, Leiter der für die Ambulanz zuständigen Abteilung 2019 im „medinlive“-Interview warnte, haben sich bisher nicht bewahrheitet.

Diskriminierung bei der Blutspende

Häufig wird Kaufmann mit der Idee konfrontiert, dass die Geschlechtsumwandlung eine „Modeerscheinung“ sei. Sie glaubt vielmehr, dass die Zeit offener ist, früher vieles unterdrückt wurde. Psychologen und Psychotherapeuten würden dafür sorgen, dass die Entscheidung der Patient:innen eine Geschlechtsumwandlung durchzuführen, gut durchdacht ist.

Auch für Kinder und Jugendliche gebe es mittlerweile Anlaufstellen. Hier ist es noch um einiges heikler herauszufinden, ob der Wunsch nicht etwa durch die Pubertät beeinflusst ist. Non-binär kann jedenfalls auch nicht einfach sein für das Umfeld, einfach weil die Welt binär gestaltet ist, weist Kaufmann hin.

Neben ihrem Engagement in der Ambulanz setzt sich Kaufmann auch für Blutspende-Freiheit ein. Gerade im Sommer herrscht oft Konservenknappheit. Bei dem Thema ortet sie Diskriminierung und wird teilweise mit Vorurteilen konfrontiert, die sich mittlerweile auch wissenschaftlich widerlegen lassen.

Link zum Interview anlässlich der Pride Days 2022
Homepage der Transsexuellen-Ambulanz 

 

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