Die als „Sambaquis“ (dt.: „Muschelhaufen“) bezeichneten Kulturdenkmäler wurden über 7.000 Jahre hinweg gebaut. Sie bestehen hauptsächlich aus Muscheln, aber auch aus menschlichen Überresten, Gebrauchsgegenständen, Grabbeigaben und verschiedenen Sedimenten. Sambaquis sind von den indigenen Gruppen Brasiliens als Behausungen, Begräbnisstätten und zur Gebietsabgrenzung genutzt worden und gehören zu den faszinierendsten archäologischen Phänomenen des vorkolonialen Südamerikas, hieß es in einer Aussendung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien.
Die Denkmäler wurden dabei über einen langen Zeitraum auf einem riesigen Gebiet immer auf ähnliche Weise gebaut. Die zugehörigen Gemeinschaften hatten kulturelle Gemeinsamkeiten, aber ihre Ursprünge, demografische Geschichte und Begegnungen mit frühen Jägern und Sammlern aus dem Landesinneren sowie ihr schnelles Verschwinden hätten mehrere Fragen aufgeworfen, die in der Studie untersucht wurden, erklärten der Biologe Tiago Ferraz und die Evolutionsgenetikerin Tábita Hünemeier, beide von der Universität von São Paulo (USP). Forschern der USP und der Universität Tübingen ist es dabei gelungen, DNA aus dem berühmten, ungefähr 10.000 Jahre alten Skelett „Luzio“ zu gewinnen.
Größter präkolumbianischer Genomdatensatz aus Brasilien
Sabine Eggers vom NHM Wien hatte mit ihrem Team schon vor Jahren festgestellt, dass Luzio ein kulturelles und morphologisches Bindeglied zwischen den frühen Jägern und Sammlern des Hochplateaus Brasilien und den späteren Sambaqui-Menschen gewesen ist. Das uralte Skelett sei demnach zwar morphologisch klar von den Sambaqui zu unterscheiden und auch die Ernährung sei nicht von Fischen und Meeresfrüchten der Küstenregionen geprägt gewesen, kulturell habe der im Landesinneren gefundene „Luzio“ aber erhebliche Ähnlichkeiten zu den Sambaqui gehabt. „Das hat uns damals zu dem Schluss geführt, dass die Frühgeschichte Amerikas wesentlich komplexer ist als bisher angenommen“, sagte Eggers, die langjährige Forschung an „Luzio“ angestellt hat.
„Es gab früher die These, dass es zwei morphologisch komplett unterschiedliche Gruppen waren, die Nord-, Mittel- und Südamerika besiedelt haben“, so Eggers. Neben „Luzio“ umfasse die Studie auch den bisher größten präkolumbianischen Genomdatensatz aus Brasilien. Anhand von diesem wurde genetisch belegt, dass die Hypothese, die ersten Menschen in Brasilien seien Teil einer eigenständigen Population gewesen, falsch ist.
Erhebliche genetische Unterschiede
Bisher hatte man zudem angenommen, die mehr als 1.000 hinterlassenen Sambaqui bzw. Muschelhaufen, die auf kulturelle Gemeinsamkeiten hinweisen, würden auch auf genetische Homogenität hindeuten. Entgegen den Erwartungen wiesen die Bevölkerungen der Süd- und der Südostküste jedoch erhebliche genetische Unterschiede auf.
Die Wissenschafter begründen das in der Studie mit unterschiedlichen demografischen Entwicklungen, die möglicherweise auf regionale Kontakte mit Gruppen im Landesinneren zurückzuführen sind. Viele Fragen sind dabei noch offen: „Wir müssen mehr regionale Studien durchführen, um mehr über die Besiedlungsgeschichte Südamerikas zu erfahren“, betonte der Erstautor Cosimo Posth von der Uni Tübingen.
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