„Jährlich erkranken in Österreich etwa 42.000 Menschen an Krebs und jeder dritte Mensch leidet im Laufe seines Lebens an dieser Krankheit“, berichtete Kongresspräsident Matthias Preusser, Leiter der Abteilung für Onkologie an der MedUni Wien, am Montag in einer Aussendung des ACV. „In jedem von uns entstehen Krebszellen, die durch das Immunsystem zerstört werden. Manchmal gelingt es den Krebszellen jedoch, sich eine 'Tarnkappe' aufzusetzen und das Immunsystem auszutricksen“, erläuterte Preusser.
Konkret gibt es an der Oberfläche der T-Zellen, die für die Immunabwehr wesentlich sind, eigene Checkpoints. Das sind Proteine, die verhindern, dass sich das Immunsystem gegen körpereigene Zellen richtet. Einige Krebsarten können diese Checkpoints hochregulieren und sich so verstecken. „Mit der Entwicklung von Checkpoint-Inhibitoren, also der Mutter der Immuntherapie, eröffnet sich nun ein völlig neuer Ansatz in der Krebstherapie, denn wir nehmen diesen Krebszellen durch speziell entwickelte Antikörper diese 'Tarnkappe' weg und helfen so dem eigenen Immunsystem bei der Besiegung der Krebszellen“, beschreibt Preusser.
Kombinationstherapien als „Trojanisches Pferd“
Eine Weiterentwicklung dieser Behandlungsmethode sind „ADCs“, das steht für „Antibody Drug Conjugate“ und meint eine Molekül-Kombination aus Antikörpern und Chemotherapie. Mithilfe des Antikörpers bindet sich das Medikament an die Tumorzelle und wird so von ihr verschluckt. Im Inneren des Tumors werden dann die chemotherapeutischen Wirkstoffe aktiv, die an das Molekül gebunden sind. „Somit gelingt es uns, wie beim Trojanischen Pferd, die Krebszelle von innen zu zerstören“, sagte Preusser. Erste zugelassene ADC-Präparate gibt es bereits für Brustkrebs-Varianten.
Ein weiterer Ansatz der Immuntherapie ist die Car-T-Zellen-Therapie, die bei verschiedenen Blutkrebsarten seit 2019 im Einsatz ist. „Dabei werden Patient:innen mit bestimmten Lymphom- und Leukämiearten T-Zellen des Immunsystems aus dem eigenen Blut entnommen und gentechnisch so verändert, dass sie bestimmte Rezeptoren an der Oberfläche der Krebszellen erkennen. Die so individuell hergestellten „Klonkrieger“ kommen dann in den Körper zurück und zerstören so den Krebs“, erklärte Preusser. Dieser Ansatz wird nun in der Forschung auch für andere solide Tumore, wie dem Darm- und Lungenkrebs, verfolgt.
Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO), der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie (SGH) ist der größte Kongress zu Blut- und Krebserkrankungen im deutschsprachigen Raum. Nach zwei Jahren der Covid-Pandemie findet die Jahrestagung diese Woche in Wien wieder in Präsenz statt.