„Als Alte-DNA-Forscher kann ich an keine passendere Person denken, die das Feld repräsentiert.“ Pääbo sei ein „herausragender Forscher“ und trotz seines Status nahbar, erklärte Pinhasi. Pääbo habe über viele Jahrzehnte an seiner Vision gearbeitet und sei auch heute noch hoch aktiv. Der heurige Preisträger besteche durch seine Innovations- und Experimentierfreude, Bodenhaftung, aber auch durch seine Zielstrebigkeit und mitunter Strenge. Er habe eine klare Vision, von der er sich auch durch Rückschläge nicht abbringen ließ. So habe Pääbo etwa auf dem Weg zur Isolierung der DNA von ägyptischen Mumien in den 1980er-Jahren auch einmal unbeabsichtigt sein eigenes Erbgut analysiert. Trotz solcher Episoden habe er immer weiter gemacht.
Pääbo sei auch immer in der Lage gewesen, seinen Fokus zu verändern, wenn es notwendig ist. „Auch das macht Wissenschaft aus“, so Pinhasi. Der Neo-Nobelpreisträger sei das Unterfangen, mit seinem Team die DNA des Neandertalers zu entschlüsseln, ähnlich angegangen wie das „Human Genome Project“ (HGP) - „allerdings ein großes Stück kleiner“, sagte der Professor für Biologische Anthropologie. Das habe damals keine andere Gruppe zuwege gebracht. Gleichzeitig habe er mit seinem Hintergrund als Biologe den Blick auf die dahinterliegenden größeren Fragen gerichtet. Das führte dann auch zu der Identifikation des Denisova-Menschen - rein auf Basis von Genanalysen.
Als Wissenschafter sei Pääbo ohne „Sensationslust“ und mit einer großen „Ernsthaftigkeit“ an die Sache herangegangen. Zunächst lag der Fokus auf der Extraktion und Entschlüsselung des Genoms selbst, in der Folge leitete man die evolutionären Begebenheiten ab, die die neuen Entdeckungen erlaubten. Pääbo habe nicht nur das Erbgut aufgearbeitet, sondern es „auch auf ein Level gebracht, dass man es nutzen und vergleichen kann. Das ist es, warum er meiner Meinung nach den Preis bekommen hat“, sagte Pinhasi.
Neandertale-Gene, HIV und Covid
Die Erkenntnisse über das genetischer Erbe der Vorfahren des modernen Menschen würden heute intensiv genutzt. So zeigte Pääbo u.a. auch, dass gewisse Neandertaler-Gene eher schützend im Zusammenhang mit Covid-19- und HIV-Infektionen wirken. „Das zeigt den Wert dieser Genome“, betonte Pinhasi, der Pääbo attestiert, die Erforschung des Erbguts der menschlichen Spezies bis zu einem gewissen Grad neu begründet zu haben. Spreche man in Vorlesungen über die Grundlagen des Bereichs, komme man an dem 67-Jährigen nicht vorbei.
Ausgezeichnet wurde Pääbo „für seine Entdeckungen über die Genome der Vorfahren des modernen Menschen und die menschliche Evolution“, hieß es in der Begründung des Nobelpreis-Kommitees. Das Preisgeld beträgt je Nobelpreis-Kategorie zehn Mio. schwedische Kronen (920.000 Euro). Im Vorjahr waren der US-Forscher David Julius und der im Libanon geborene Molekularbiologe Ardem Patapoutian geehrt worden. Prämiert wurden sie für Ihre Entdeckungen der menschlichen Rezeptoren für Temperatur- und Berührungsempfinden. Die Bekanntgabe der Auszeichnung für Physiologie bzw. Medizin bildete den Start in die Nobelpreis-Woche.
Am Dienstag erfolgt die Verkündung der Preisträgerinnen oder Preisträger für Physik- und am Mittwoch jene für Chemie. Nach den Wissenschaftspreisen wird wie gewohnt am Donnerstag der Literatur-Nobelpreis vergeben, am Freitag folgt der Friedensnobelpreis. Den Abschluss bildet am kommenden Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften. Geplant ist, dass die Übergabe der Preise heuer am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, wieder in Stockholm stattfinden soll. Dazu eingeladen werden auch die Gewinner der Jahre 2020 und 2021. In diesen beiden Jahren war die Verleihung coronabedingt in den Heimatländern der Preisträger durchgeführt worden.