Nobel-Favoriten: Brustkrebs-Gen, Glücks-Ökonomie, elektronische Haut

Die diesjährige „Nobel-Klasse“ hat der Datenkonzern Clarivate Analytics aus dem Kreis der meistzitierten Forscher gekürt. Diese 20 „Zitations-Kaiser“ aus vier Ländern gelten damit auch als Favoriten für die wissenschaftlichen Nobelpreise 2022. Wer diese Auszeichnung heuer erhält, wird in den nächsten Tagen bekannt gegeben: Den Auftakt macht am Montag (3.10.) die Medizin, gefolgt von Physik (4.10.), Chemie (5.10.) und den Wirtschaftswissenschaften (10.10.).

red/Agenturen

Das zu Clarivate gehörende Institute for Scientific Information (ISI) identifiziert alljährlich anhand von Publikations- und Zitationsdaten wissenschaftlicher Arbeiten einflussreiche Forscher in jenen Forschungsbereichen, in denen Nobelpreise vergeben werden. Von den rund 55 Millionen seit 1970 im  „Web of Science“  erfassten Artikeln wurden nur rund 7.600 oder 0,01 Prozent 2.000 Mal oder öfter zitiert. Ihre Autoren gelten damit als besonders einflussreich - und dadurch auch als Favoriten für den Nobelpreis.

Seit 2001 hat Clarivate knapp 400 solcher „Citation Laureates“ ausgewählt, 64 davon haben tatsächlich den Nobelpreis erhalten. Heuer wurden 20 neue Favoriten gekürt, 14 davon sind in den USA tätig, drei in Japan, zwei in Großbritannien und einer in Deutschland. Österreicher ist keiner dabei, in den vergangenen Jahren wurden u. a. der Mediziner Gero Miesenböck oder die Physiker Peter Zoller und Anton Zeilinger in dieser Liste genannt.

Diesjährige Favoriten in Medizin und Physik

Zu den Favoriten für den Nobelpreis in Physiologie oder Medizin zählt der Datenkonzern Mary-Claire King von der University of Washington (USA) für den Nachweis einer vererbten Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs und der Rolle von Mutationen des BRCA1-Gens dabei. Masato Hasegawa vom Tokyo Metropolitan Institute of Medical Science (Japan) und Virginia Man-Yee Lee von der University of Pennsylvania (USA) kamen auf die Liste, weil sie die Rolle des Proteins TDP-43 bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und der frontotemporalen Lobärdegeneration (FTLD) identifiziert haben. Für seine Forschung an den genetischen Grundlagen von Blutkrankheiten und der Weiterentwicklung der Gentherapie bei Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie wurde Stuart H. Orkin von der Harvard Medical School (USA) in die „Nobel-Klasse“ aufgenommen.

In der Physik hat Clarivate Immanuel Boch vom Max-Planck Institut für Quantenoptik in Garching (Deutschland) zu einem Nobelpreis-Favoriten gekürt, und zwar für seine Forschungen an Quanten-Vielteilchensystemen mit ultrakalten atomaren und molekularen Gasen, die den Weg für die Quantensimulation von „künstlichen Festkörpern“ ebnen. Für seine Beiträge zur Physik von Strömungsphänomenen auf der Nanoliter-Skala wurde Stephen R. Quake von der Stanford University (USA) in die „Nobel-Klasse“ gewählt. Takashi Taniguchi und Kenji Watanabe vom National Institute for Materials Science (Japan) wurde diese Ehre für die Herstellung hochwertiger hexagonaler Bornitridkristalle zuteil, die die Erforschung des elektronischen Verhaltens zweidimensionaler Materialien revolutionierte.

Von der Ökonomie des Glücks bis zu chemischen Kommunikationssystemen

In der Chemie zählt Zhenan Bao von der Stanford University zu den Favoriten. Sie hat neuartige biomimetische Anwendungen organischer, polymerer elektronischer Materialien entwickelt, etwa eine flexible „elektronische Haut“. Wie Bakterien ihre Gene mittels eines „Quorum Sensing“ genannten chemischen Kommunikationssystems exprimieren haben Bonnie L. Bassler von der Princeton University und Peter Greenberg von der University of Washington (beide USA) erforscht und wurden dafür in die „Nobel-Klasse“ aufgenommen. Das gilt auch für Daniel G. Nocera von der Harvard University, und zwar für seine Beiträge zum protonengekoppelten Elektronentransfer und dessen Anwendung in der Energieforschung und der Biologie.

Als Favoriten für den Nobel-Gedenkpreis für Wirtschaftswissenschaften werden von Clarivate Daron Acemoglu und Simon Johnson vom Massachusetts Institute of Technology (USA) mit ihrer Analyse der Rolle politischer und wirtschaftlicher Institutionen bei der Gestaltung der nationalen Entwicklung genannt. Weiters in dieser „Nobel-Klasse“ finden sich Samuel Bowles und Herbert Gintis vom Santa Fe Institute und der University of Massachusetts (USA). Sie haben das Verständnis von wirtschaftlichem Verhalten dahingehend erweitern, dass nicht nur das Eigeninteresse, sondern auch Gegenseitigkeit, Altruismus und andere Formen der sozialen Zusammenarbeit berücksichtigt werden. Schließlich finden sich Richard A. Easterlin von der University of Southern California (USA), Richard Layard von der London School of Economics und Andrew J. Oswald von der University of Warwick (beide Großbritannien) für ihre Beiträge zur Ökonomie von Glück und subjektivem Wohlbefinden auf der Liste.

Nobelpreis
Der Datenkonzern Clarivate Analytics kürte aus dem Kreis der meistzitierten Forscher die Nobel-Klasse 2022 für die Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Wirtschaftswissenschaften.
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