Thalamus-„Schrittmacher“ wirksam bei Epilepsie-Kontrolle

Rund 80.000 Menschen in Österreich leiden an epileptischen Anfällen. Laut internationalen Studien ist die Krankheit bei etwa einem Drittel der Betroffenen medikamentös nicht ausreichend unter Kontrolle zu bringen. Hier könnte laut aktuellen Daten aus einem internationalen Real-Life-Register mit österreichischen Daten das Implantieren von Elektroden zur Elektrostimulierung in einem Areal der Thalamus-Gehirnregion eine deutliche Verbesserung bringen.

red/Agenturen

„Epilepsien sind mittlerweile sehr gut behandelbar. Derzeit sind, dank der modernen Medikamente, von zehn Betroffenen sechs bis sieben anfallsfrei eingestellt“, fasste die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) die aktuelle Situation zusammen. Versagen die Arzneimittel, gibt es beispielsweise die Möglichkeit von neurochirurgischen Eingriffen mit dem Entfernen eines Herdes, von dem die Anfälle ausgehen. In der jüngeren Vergangenheit ist aber mit der tiefen Hirnstimulation auch noch eine andere Technik etabliert worden: Über das Implantieren von Elektroden in das Gehirn und das Applizieren von Stromimpulsen kann die Reizleitung, die zu Anfällen führt, unterbrochen werden.

Weniger Anfälle

Der US-Medizintechnikkonzern Medtronic hat ein solches System entwickelt. Es besteht im symmetrischen Verlegen von Elektroden in einen bestimmten Teil der Gehirnregion des Thalamus (Anterior Nucleus Thalamus) im Zwischenhirn. Die Funktion des Thalamus, auch Sehhügel genannt, besteht im Umschalten von Sinneseindrücken, gleichzeitig ist er die Zentrale des vegetativen Nervensystems. Die tiefe Hirnstimulation von einem Herzschrittmacher-großen Steuergerät aus, das in die Brust implantiert wird, soll die Entstehung von epileptischen Anfällen kappen. Die Therapie kann auf der Basis von Informationen aus dem Gehirn individualisiert werden, Patient:innen selber können ebenfalls von außen steuernd eingreifen.

In einer klinischen Studie mit 109 Patient:innen, von denen 54 per Zufall das aktive System bekamen und 55 als Kontrollgruppe (keine tiefe Hirnstimulation) verglichen wurden, zeigte sich im ersten Jahr eine Verringerung der mittleren Anfallshäufigkeit um 41 Prozent. Bis zum sechsten Jahr stieg der Effekt der Therapie auf 75 Prozent an. Ein Teil der Patient:innen hatte gar keine Anfälle mehr.

Langzeitdaten aus Register mit österreichischer Beteiligung

Klinische Studien sind eine Sache, oft unterscheiden sich von diesen Ergebnissen aber die Erfahrungen in der „realen Welt“, in der Routinepraxis. Medtronic hat deshalb auch ein internationales Register für die tiefe Hirnstimulation bei sonst nicht ausreichend beherrschbarer Epilepsie etabliert. In der führenden wissenschaftlichen Neurologie-Zeitschrift „Neurology“ sind am Donnerstag die Behandlungsergebnisse von 25 Zentren in 13 Staaten mit einer Beobachtungszeit von mindestens zwei Jahren veröffentlicht worden. Es handelte sich um 191 Patient:innen. Unter den Co-Autoren der Analyse befindet sich auch Ekaterina Pataraia von der neurologischen Universitätsklinik der MedUni Wien/AKH.

Laut den Ergebnissen hält die tiefe Hirnstimulation offenbar auch in der klinischen Routine die „Versprechen“ aus der wissenschaftlichen Forschung. „Die mittlere monatliche Anfallshäufigkeit verringerte sich binnen zwei Jahren um 33,1 Prozent - von durchschnittlich 15,8 Anfällen pro Monat auf 8,8 'Anfälle. In der Untergruppe von 47 Patient:innen, die eine Beobachtungszeit von fünf Jahren hatten, reduzierte sich die Zahl der monatlichen epileptischen Anfälle um 55,1 Prozent - von zu Beginn im Durchschnitt 16 Anfällen pro Monat auf 7,9 - eben nach fünf Jahren“, schrieben die Wissenschafter. Allerdings zeigten 16 Prozent der Patient:innen auch mehr oder stärkere Anfälle. Die Therapie kann aber angepasst bzw. sofort beendet werden.

Jedenfalls scheint die tiefe Hirnstimulation bei dafür geeigneten Betroffenen wirksam und sicher zu sein, so die Autor:innen. Mit der Zahl der Behandelten an einem Zentrum steigt offenbar die Erfolgsrate.