Buchvorstellung

Vorreiterin auf vielerlei Ebenen

Cécile Vogt: Ein Name, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Die Neurowissenschafterin wurde insgesamt 13-mal für den Nobelpreis nominiert und führte ein für die damalige Gesellschaft höchst ungewöhnliches Frauenleben. Sie gehört – wie Marie Curie oder Liese Meitner – zu den wichtigen Wegbereiterinnen für Frauenkarrieren in der Naturwissenschaft. Ein neues Buch holt die französisch-deutsche Neurologin vor den Vorhang.

red

Pionierin der Hirnforschung. Dreizehnmal für den Nobelpreis nominiert. Dreifache Mutter, wobei die erste Tochter unehelich auf die Welt kam (und das anno 1898!). Von den Nationalsozialisten mit Repressalien belegt. Cécile Vogt ist nach ihrem Tod zu Unrecht eher als Teil des Forscherehepaars Vogt wahrgenommen worden denn als eigenständige Persönlichkeit.

Gemeinsam mit ihrem Mann Oskar gründete sie 1898 die einflußreiche Neurologische Zentralstation in Berlin, das dann als Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung fortgeführt wurde und später ins das heutige Max-Planck-Institut für Hirnforschung mündete. Dort etablierte Cécile eine Methode, so genannte Hirnschnitte zu machen und zu dokumentieren. Damit konnte das menschliche Gehirn detailreicher als bisher gekannt erforscht werden.

Den deutschen Neurologen Oskar lernte Cécile an der Pariser Universität kennen. Dort war sie 1893 als eine der wenige Frauen für das Medizinstudium zugelassen worden. Sehr bald wurden die beiden nicht nur privat ein Paar, sondern auch auf wissenschaftlicher Ebenen ein enorm gut kooperierendes Team. Die schon erwähnte, später angelegte Hirnschnittsammlung der Vogts gilt als eine der größten weltweit und befindet sich heute an der Universität in Düsseldorf. Einen Arbeitsschwerpunkt der Vogts bildete die lokalisatorische Hirnforschung.

„In diesem Buch soll Cécile Vogt im Mittelpunkt stehen: als fortschrittliche Frau, als Pionierin und innovative Forscherin, als Wegbereiterin von Frauenkarrieren in der Neurowissenschaft, als politischer Kopf und unabhängige Denkerin, als tolerante, selbstbewusste und loyale Partnerin und als mehrfache Mutter, als Organisatorin von Haushalten und wissenschaftlichen Instituten“, so die Autorin Birgit Kofler-Bettschart, die neben Originalpublikationen unter anderem auf interessantes Archivmaterial der Max-Planck-Gesellschaft zurückgreifen konnte.

Wer war Cécile Vogt?

Cécile Mugnier wird 1875 im französischen Annecy geboren. Sie hat zwei Brüder und wächst vaterlos auf, denn der stirbt, als das Mädchen zwei Jahre alt war. Die junge Frau wird 1893 zum Medizinstudium in Paris zugelassen, eine absolute Rarität für die damalige Zeit, und bekommt 1898 eine uneheliche Tochter, Claire. Ebenfalls etwas, das im ausgehenden 19. Jahrhundert alles andere als gesellschaftlich resepktiert ist. Im selben Jahr begegnet sie ihrem späteren Mann Oskar, der sich zu Forschungszwecken in Paris aufhält und Neurologe ist. Die beiden heiraten und gehen nach Berlin. Claire wird bald von Oskar adoptiert, zwei leibliche Töchter, Marthe und Marguerite, folgen. Alle drei Töchter der Vogts wählen übrigens später eine wissenschatliche Karriere in der Medizin.

Gemeinsam mit Oskar Vogt arbeitet Cécile am Neurobiologischen Laboratorium in Berlin, aus dem das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung, das heutige Max-Planck-Institut, hervorgeht. Von den Nazis werden sie aus ideologischen Gründen aus Berlin vertrieben. Die Vogts lassen sich in ihrer Forschungsarbeit aber nicht beirren, sondern arbeiten ab 1937 weiter in einer privaten Forschungseinrichtung im Schwarzwald, das sie aus dem familieneigenem Vermögen sowie dem Vermögen der Industriellenfamilie Krupp finanzieren. Auch nach dem Krieg setzen sie ihre Arbeit fort, allerdings werdem sie nicht mehr an das mittlerweile von der Max-Planck-Gesellschaft übernommen Kaiser-Wilhelm-Institut zurückgebeten.

Cécile Vogt stirbt am 20. Mai 1962 in Cambridge/England, wohin sie ihrer Tochter Marthe nach Oskars Tod gefolgt war.

 

 

 

Buchcover
Kofler-Bettschart, Birgit: Cécile Vogt. Pionierin der Hirnforschung. Ueberreuter, 2022. 240 Seiten.
Ueberreuter Verlag
„In diesem Buch soll Cécile Vogt im Mittelpunkt stehen: als fortschrittliche Frau, als Pionierin und innovative Forscherin, als Wegbereiterin von Frauenkarrieren in der Neurowissenschaft, als politischer Kopf und unabhängige Denkerin (...)."- Autorin Birgit Kofler-Bettschart