Ärzte ohne Grenzen im Sudan: „Menschen werden gejagt“

Seit Mitte April toben im Sudan Kämpfe zwischen den paramilitärischen Einheiten der Rapid Support Forces (RSF) und der sudanesischen Armee, die inzwischen Tausende zivile Opfer gefordert haben. „In einigen Monaten wird das internationale Interesse an der Situation allerdings wieder verloren gehen und uns werden die Mittel zum Helfen erneut fehlen“, sagt Christophe Garnier, ehemaliger Notfallkoordinator eines Krankenhauses in Adré, im Gespräch mit der APA.

red/Agenturen

Mit den zunehmenden Konflikten im Land war auch Ärzte ohne Grenzen (MSF) dazu gezwungen, ihre Lager und Krankenhäuser in vielen Regionen des Landes auszubauen. In einer Krankenanstalt in der tschadischen Stadt Adré, die nur knapp hinter der Grenze zum Sudan liegt, wurden die Kapazitäten in kürzester Zeit erweitert. „Die größte Schwierigkeit lag in der Aufstockung unserer Betten. Wir haben in unserem Krankenhaus innerhalb von 48 Stunden von 50 auf 500 Betten vergrößert“, erzählt Garnier.

Die Verletzungen der Geflüchteten seien angsteinflößend und besorgniserregend. „Zivilisten und Zivilistinnen werden zu Opfern roher Gewalt, dabei versuchen sie doch nur vor den Kämpfen in ihrem Zuhause zu flüchten“, schildert der Notfallkoordinator seine persönlichen Erfahrungen. Es wirke, als würden die Menschen regelrecht gejagt werden. Hinzu kommt die sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen. „Es ist schwierig eine Atmosphäre zu erschaffen, in der sich diese Opfer sicher fühlen. Die meisten können nicht darüber sprechen“, sagt Garnier, der mittlerweile nach Paris übersiedelt ist und die Arbeit in Adré seither von dort aus leitet.

Seine größte Angst liegt in der schwindenden internationalen Unterstützung. „Ich habe keine Hoffnung, dass dieser Konflikt in naher Zukunft gelöst werden wird. Je länger die Kämpfe andauern, desto weniger Anteilnahme bleibt bestehen“, erklärt Garnier. Dann würde Ärzten ohne Grenzen wieder vieles zum Helfen fehlen, der Bedarf an medizinischer Versorgung würde gleichzeitig aber im selben Ausmaß bestehen bleiben.

Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kommt es seit Beginn der Auseinandersetzungen im Sudan zu wahllosen Angriffen und massenhaft zivilen Opfern. In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Organisation hieß es, manche der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen müssten als Kriegsverbrechen betrachtet werden.

In dem nordostafrikanischen Land kämpft die Armee unter De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan seit mehr als drei Monaten gegen die paramilitärische Miliz RSF des ehemaligen Vizemachthabers Mohammed Hamdan Daglo. Die Generäle hatten sich gemeinsam an die Macht geputscht, dann aber zerstritten. Nach UNO-Angaben wurden allein in den ersten 100 Tagen des Konflikts mehr als 3,3 Millionen Menschen vertrieben.