Preisband für Arzneimittel

Kritik von Interessensvertretern

Der Dachverband der Sozialversicherungsträger hat am Donnerstag das neue Preisband für Arzneimittel veröffentlicht, das im Oktober 2023 in Kraft tritt. Damit wurde prompt Kritik von Interessensvertretern ausgelöst, die durch die geringere Preisspanne eine Gefahr für die Medikamentenversorgung sehen. Durch das Preisband darf der Höchstpreis eines erstatteten Arzneimittels maximal 20 Prozent über dem des günstigsten wirkstoffgleichen Medikaments liegen.

red/Agenturen

Die Versorgung sahen durch das neue Preisband etwa der Österreichische Generikaverband, der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und der Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) in Gefahr. „Die vorgeschriebenen Preissenkungen werden die Arzneimittelversorgung zahlreicher Patientinnen und Patienten weiter gefährden. Gerade nach den Erfahrungen mit den Knappheiten der letzten Monate kann diese Vorgangsweise nicht zu Ende gedacht sein“, betonte etwa Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des FCIO.

Die verordneten Preisreduktionen betreffen laut FCIO rund 1.500 Medikamente. Darunter würden auch viele Antibiotika fallen, bei denen es in der Hauptinfektionszeit zu teilweise dramatischen Engpässen gekommen ist. Um diese zu vermeiden, solle die Pharmawirtschaft einerseits genau diese kritischen Arzneimittel künftig verpflichtend bevorraten, was zu erheblichen Kostensteigerungen führen wird. Andererseits müssten die Unternehmen die Preise für dieselben Produkte deutlich senken. „Es ist daher damit zu rechnen, dass Anbieter aus dem Markt ausscheiden müssen, da die neuen Preise wirtschaftlich nicht mehr vertretbar sind“, so der FCIO am Freitag in einer Aussendung.

Ähnlich der Österreichische Generikaverband: Rund 600 Medikamente seien derzeit nicht oder nur eingeschränkt lieferbar, darunter Schmerzmittel, Antibiotika, Medikamente für das Herz-Kreislaufsystem uvm. Leidtragende seien die Patientinnen und Patienten, die dringend auf diese Medikamente angewiesen sind. „In Österreich hat das restriktive Preissystem für Medikamente längst seine Untergrenze erreicht. Werden die Preise jetzt noch weiter gedrückt, laufen weitere Medikamente wie z.B. Antipsychotika oder Antidepressiva Gefahr, vom Dachverband aus der Versorgung gestrichen zu werden. Wir werden auch im kommenden Winter wieder in eine Engpasssituation geraten“, warnte Wolfgang Andiel, Präsident des Generikaverbandes.

Betroffen seien auch Medikamente, die im vergangenen Winter Lieferausfälle hatten. „Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass man beispielsweise bei Antibiotika, bei denen es immer noch Einschränkungen in der Versorgung gibt, den Preisdruck jetzt noch weiter erhöht“, kritisierte Andiel. „Man kann doch nicht ernsthaft erwarten, dass sich dadurch die Versorgung verbessern wird!“ Generika seien entscheidend für die Versorgungssicherheit. Mehr als 90 Prozent der abgegebenen Medikamentenpackungen stammen laut Verband aus dem patentfreien Segment, davon seien 57 Prozent Generika. „Aufgrund des starken Preisdrucks haben jedoch bereits über ein Viertel der Generika in Europa in den letzten zehn Jahren den Markt verlassen“, so der Verband. Im Schnitt verlassen demnach in Österreich pro Monat 20 Medikamente den Erstattungskodex.

Warnung vor negativen Auswirkungen des neuen Preisbands

Der Generikaverband kritisierte auch, dass gemäß dem neuen Preisband der Höchstpreis zukünftig anhand der am häufigsten verschriebenen Dosierung, der sogenannten Schlüsselstärke (z. B. 25 mg), festgelegt werden soll. Höhere Wirkstoffstärken dürfen keinen höheren Preis haben. In zahlreichen Fällen kann dieses Einheitspreis-Modell dazu führen, dass die Preise für höhere Dosisstärken nicht mehr kostendeckend sind, befürchtet der Verband. Die Konsequenz für Patientinnen und Patienten wäre, dass sie mehr Tabletten einnehmen und vor allem mehrmals Rezeptgebühren zahlen müssten. „Ein weiteres Problem besteht darin, dass die festgestellten Schlüsselstärken im neuen Preisband teilweise nur wenig mit den tatsächlichen Dosierungen in den zugelassenen Anwendungsgebieten zu tun haben. Das Preisband ist in dieser Form aus unserer Sicht nicht sinnvoll anwendbar“, sagte Andiel.

Auch der BiVÖ warnte vor den negativen Auswirkungen des neuen Preisbands. Die vorgesehene Änderung bedrohe die Versorgungssicherheit und könnte zur weiteren Verknappung wichtiger Medikamente führen, hieß es in einer Aussendung. Die Beschränkung des Wettbewerbsspielraums führe zu einer preislichen Abwärtsspirale, die das Marktangebot einschränke und letztlich die Verfügbarkeit von wichtigen Medikamenten, darunter auch Biosimilars, gefährde. Biosimilars sind hochmoderne Nachfolge-Biologika, die laut BiVÖ in unserem Gesundheitssystem eine zentrale Rolle spielen. „Sie können Behandlungskosten meist sehr teurer Therapien z.B. in den Bereichen Krebs, Rheuma, entzündliche Darm- oder Hauterkrankungen um 53 Prozent senken“, so der Verband.

Kritik kam darüber hinaus von den NEOS: „Österreich ist bei Medikamenten ohnehin schon ein absolutes Niedrigpreisland. Dass die Sozialversicherung den Preis, den die Hersteller für ihre Medikamente bekommen, jetzt noch weiter senkt, verschärft die Medikamentenknappheit, das ist völlig unverantwortlich“, kritisierte deren Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. „Ein kleines Land, das schlecht zahlt, muss damit rechnen, dass jene Länder, die den Marktpreis zahlen, bevorzugt beliefert werden und man selbst leer ausgeht.“ Dass Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) die Hersteller „jetzt auch noch verpflichtet, dass sie sich um die Bevorratung von Medikamenten zu kümmern haben, könne schwerwiegende Folgen für die heimische Gesundheitsversorgung haben“, warnte Fiedler.

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