Theodor Billroth – eine Legende
Er war einer der bedeutendsten Ärzte im 19. Jahrhundert, der besonders wegen seiner gewagten Operationstechniken Berühmtheit erlangte. Nach ihm sind bis heute die Magenoperationen Billroth I und Billroth II benannt. Er förderte das Krankenhaus- und Krankenpflegewesen in Wien und war ein begnadeter Lehrer. Aber es gab auch Schattenseiten aufgrund seiner deutschnational-„arischen“ Gesinnung. Regelmäßig begibt sich Hans-Peter Petutschnig bei medinlive auf eine Zeitreise zu den Spuren der alten Wiener Medizin.
Theodor Billroth (1829-1894) studierte anfangs Musik, blieb dieser ein Leben lang eng verbunden und war mit großen Komponisten seiner Zeit befreundet. Später entschied er sich aber doch für die Medizin. Nach seiner Promotion 1852 in Berlin ging Billroth für ein knappes Jahr nach Wien, um dort Vorlesungen von Ferdinand von Hebra, Richard Heschl und Johann von Oppolzer zu besuchen.
1853 kehrte er nach Berlin zurück, wo er die Grundlagen plastischer Chirurgie und die Konstruktion chirurgischer Instrumente erlernte. Seine Arbeiten publiziert er in Zürich und legte damit den Grundstein für die „wissenschaftliche Chirurgie“. 1867 kam er endgültig nach Wien und übernahm die 2. Chirurgische Lehrkanzel, der er bis an sein Lebensende vorstand.
Billroth ist eine Reihe von Meilensteinen der Chirurgie zu verdanken, darunter 1871 die erste Entfernung der Speiseröhre (Ösophagektomie) und 1873 die erste Entfernung des Kehlkopfs (Laryngektomie). Am bekanntesten ist jedoch seine – nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen – erste erfolgreiche teilweise Entfernung des Magens (Magenresektion), die ihm 1881 bei einem Magenkrebspatienten gelang.
Billroth, dessen operative Erfolge nicht zuletzt durch die Einführung der Antisepsis ermöglicht worden waren, war ein Förderer des Krankenhaus- und Krankenpflegewesens. Die Gründung des Rudolfinerhauses 1882, einem Spital im 19. Bezirk mit Krankenpflegeschule und von Kronprinz Rudolf und Johann Nepomuk Graf Wilczek finanziell unterstützt, war logische Folge seines Wirkens. 1883 wurde er zum Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften und 1888 zum Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina gewählt.
Was ihn als Lehrer so besonders hervorhob: Er sprach auch über Misserfolge und führte damit ein völlig neues Lehrkonzept in den Unterricht ein. Als Prüfer war der Chirurg immer freundlich. Eine der Billroth-Anekdoten erzählt, dass er Studenten ein inneres Organ zur Bestimmung vorlegte. Die Antwort eines ungarisch sprechenden Studenten lautete „Das ist das Läbba“. Daraufhin soll Billroth geantwortet haben: „Erstens heißt es nicht Läbba, sondern Leber, zweitens ist es nicht das, sondern die Leber. Und drittens ist es eine Milz.“
Eine weitere Anekdote erzählt, dass er auch mit seinen Patienten Humor bewies. Einer von ihnen war ein Hypochonder: Er hatte alle medizinischen Zeitschriften abonniert und besaß eine ganze Bibliothek an medizinischen Büchern. Wegen jeder Kleinigkeit rief er Billroth zu sich. Als dieser ihn wieder einmal bei einer Visite in seinen Büchern blätternd vorfand, warnte ihn der Arzt: „Geben Sie Acht, mein Lieber, Sie werden noch an einem Druckfehler sterben.“
Billroth war alles andere als ein trockener Wissenschafter, man schätzte den großen Arzt auch als überaus geselligen Mann und genialen Musiker. Johannes Brahms, einer seiner engsten Freunde, widmete ihm ein Streichquartett, und Billroth komponierte auch selbst. In seinem Salon standen immer zwei Klaviere, und die Konzertabende in seinem Haus auf der Alser Straße waren legendär. Als man dem auf der Insel Rügen geborenen Arzt einen Lehrstuhl für Chirurgie in Berlin anbot, lehnte er ab, weil ihm „das künstlerische Leben in Wien viel zu lieb geworden“ war.
Ähnlich wie bei seinem nicht weniger berühmten Kollegen Julius Tandler gibt es aber auch bei Billroth Seiten, die aus heutiger Sicht sehr kritisch gesehen werden müssen. 1875 publizierte Billroth das Buch „Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der Deutschen Nation“ mit seitenlangen antisemitischen Polemiken gegen jüdische Studierende aus Galizien und Ungarn: „… dass ich innerlich trotz aller Reflexion und individueller Sympathie die Kluft zwischen rein deutschem und rein jüdischem Blut heute noch so tief empfinde …“.
An Billroth erinnert in Wien unter anderem eine 1897 enthüllte Büste im Arkadenhof der Universität Wien (rechter Gang wandseitig rechts vom Aufgang zur Stiege VIII), eine 1950 aus Marmor ausgeführte lebensgroße Statue im 1. Hof des alten AKH sowie die Billrothstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk.
Begraben ist Billroth am Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 14 A, Grab Nr. 7). An seinem Grabstein befindet sich an der Spitze einer Palmette eine Mohnkapsel, die das Symbol für Schmerzlinderung und ewigen Schlaf ist.
Hans-Peter Petutschnig ist seit vielen Jahren für die Pressearbeit und den Verlag der Wiener Ärztekammer verantwortlich. Er ist zudem stellvertretender Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien und organisiert zahlreiche kulturelle Veranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte. Zusammen mit der staatlich geprüften Wiener Fremdenführerin sowie Kunst- und Kulturvermittlerin Bibiane Krapfenbauer-Horsky hat er das Buch „Auf den Spuren der alten Heilkunst in Wien – Medizinische Spaziergänge durch die Stadt“ verfasst.