HIV-Entdeckung

Der erste Schritt im Kampf gegen Aids

Französische Wissenschafter waren die ersten: Vor 40 Jahren entdeckten sie das Aids-Virus. Am 20. Mai 1983 berichtete ein Team des Institut Pasteur im US-Wissenschaftsmagazin „Science“ von der Isolierung eines neuen Virus, das die Aids-Symptome verursache. Die Bestimmung des Erregers war der entscheidende Schritt im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit, an der bis heute mehr als 40 Millionen Menschen starben.

red/Agenturen

Das neue Virus „könnte an mehreren Krankheitssyndromen beteiligt sein, darunter auch Aids“, formulierten die Entdecker Françoise Barré-Sinoussi, Jean-Claude Chermann und Luc Montagnier vorsichtig. Die Aids-Forschung stand damals noch ganz am Anfang, die Krankheit schien mysteriös.

Zwei Jahre zuvor hatten Ärzt:innen in den USA von einer Häufung seltener Erkrankungen bei Homosexuellen berichtet. Die Mediziner rätselten, warum Infektionen, die sonst nur bei sehr geschwächten Menschen auftraten, plötzlich gesunde junge Männer trafen.

Zunächst wurde das Phänomen nach den damals häufigsten Betroffenen nur die 4H-Krankheit genannt, wobei die vier Hs für Homosexuelle, Heroin-Abhängige, Haitianer und „Hemophiles“, also Bluter, standen. Forschungsteams in verschiedenen Erdteilen machten sich daran, die genaue Ursache der lebensbedrohlichen Krankheit zu erforschen.

Neues Retrovirus LAV

Einige vermuteten, dass es sich um ein Retrovirus handelt - unter ihnen auch Robert Gallo, der führende US-Experte für diese krebsauslösende Virusfamilie. In Paris forschte das von Luc Montagnier geleitete Labor für Virusonkologie am Institut Pasteur; dort begann am 3. Jänner 1983 die Untersuchung einer Probe aus dem Lymphknoten eines Aids-Patienten.

„Bei Einbruch der Dunkelheit machte ich mich an die Arbeit“, schilderte der 2022 verstorbene Montagnier in seinem Buch „Von Viren und Menschen“ den Beginn der Ursachenforschung. Zusammen mit seinen Kollegen Barré-Sinoussi und Chermann entdeckte er schließlich ein neues Retrovirus, das sie LAV nennen.

„Wir hatten das Virus isoliert und gezeigt, dass es sich um ein Retrovirus handelte, aber wir hatten noch keine Gewissheit, dass es die Ursache von Aids war“, erzählt Barré-Sinoussi. Im Lauf des Jahres 1983 kamen sie jedoch zu dem Schluss, dass sie tatsächlich den Aids-Erreger gefunden hatten. Im September 1983 präsentierten sie einer Handvoll Experten, darunter auch Gallo, ihre Daten.

Die Forschungsergebnisse stießen zunächst auf große Skepsis. „Ein Jahr lang wussten wir, dass wir das richtige Virus haben“, sagte Montagnier 30 Jahre später. „Aber niemand glaubte uns, und unsere Veröffentlichungen wurden abgelehnt.“

Streit um Urheberschaft

Im April 1984 verkündete schließlich die US-Regierung, der Retrovirus-Spezialist Gallo habe den Aids-Erreger entdeckt. Dieser erwies sich aber letztlich als dasselbe Virus, das in Paris isoliert worden war und bekam 1986 den Namen HIV: Humanes Immundefizienz-Virus.

Frankreich und die USA stritten sich um die Urheberschaft der Entdeckung. Dabei ging es nicht nur um die wissenschaftliche Ehre, sondern auch um Einnahmen aus den auf der Entdeckung basierenden Testverfahren. 1987 einigten sich die Frankreich und die USA, Montagnier und Gallo künftig als „Co-Entdecker“ des Virus zu bezeichnen. 2008 wurden aber nur Montagnier und seine Kollegin Barré-Sinoussi 2008 für ihren Durchbruch mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet, Gallo ging leer aus.

Doch auch nachdem der Aids-Erreger längst nachgewiesen war, hielten sich hartnäckig Verschwörungstheorien: So versuchte der sowjetische Geheimdienst in seiner Operation „Infektion“ glauben zu machen, der Krankheitserreger sei in einem geheimen Labor in den USA entwickelt worden. Und der damalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki behauptete noch Anfang des Jahrtausends, nicht HIV, sondern Armut sei die Ursache von Aids - und verweigerte der Bevölkerung den Zugang zu Medikamenten.

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