Diabetes-1

Familienstruktur für Kinder ausschlaggebend

Etwa 30.000 Menschen leiden in Österreich an Typ-1-Diabetes, davon etwa 1.600 Schulkinder. Eine europäische Studie mit Beteiligung von Wiener Kinderärzten zeigt jetzt, dass der Familienstatus auch die Güte der Blutzuckereinstellung der betroffenen Heranwachsenden beeinflusst. Kinder mit beiden Eltern in Haushalt sind besser versorgt als Kinder mit einem Elternpaar oder einem arbeitslosen Vater.

red/Agenturen

„Diese Studie untersucht, wie Familien-bedingte Faktoren das Management von Typ-1-Diabetes bei Kindern und Heranwachsenden beeinflusst“, schrieben Burkhard Brosig vom Zentrum für Kinder- und Jugendheilkunde der Justus Liebig Universität in Gießen in Deutschland und seine Co-Autoren, unter ihnen Gabriele Berger (MedUni Wien/AKH und Klinik Floridsdorf).

Während in der Politik oft die Verantwortung der Eltern hervorgehoben wird, haben wohl jene Kinder und Jugendlichen, bei denen von Beginn an Insulin-pflichtiger Diabetes (Typ-1-Diabetes) in jungen Jahren ausbricht, kaum Chancen, ihre direkte Umwelt zu beeinflussen. Sie sind mit Ausbruch der Erkrankung sofort und lebenslang auf eine optimale Blutzuckereinstellung und die Beherrschung aller Risikofaktoren für Komplikationen wie Nierenschäden, Herzinfarkt, Schlaganfall und Netzhautschäden (Blindheit) angewiesen. Ihre „Zuckerkrankheit“ erstreckt sich über viele Jahrzehnte - lebenslang.

Die Wissenschafter analysierten deshalb Daten aus dem sogenannten DPV-Register. Fast alle pädiatrischen und viele internistische Diabeteszentren aus Deutschland und Österreich beteiligen sich an dieser Initiative, sodass über die aktuelle Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes seit mehr als zwei Jahrzehnten ein sehr zuverlässiges Bild über die Situation zu Fragen des „juvenilen Diabetes“ (Typ-1-Diabetes) besteht.

Die Analyse umfasste die Daten von 15.340 Typ-1-Diabetikern, bei denen die Erkrankung zwischen dem Jahr 2000 und 2018 erstmals diagnostiziert wurde. Sie stammten aus 286 Behandlungszentren in Deutschland, 14 Institutionen in Österreich und einem Zentrum in Luxemburg. 52 Prozent der Betroffenen waren Buben oder Burschen. Im Mittel war die Zuckerkrankheit mit 8,1 Jahren diagnostiziert worden. Die Beobachtungszeit betrug 12,8 Jahre. 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen waren mit zwei Elternteilen im Haushalt aufgewachsen, 17,8 Prozent in einem Haushalt mit einem Elternteil, 8,5 Prozent lebten in Patchwork-Familien und 3,4 Prozent in einem Haushalt ohne biologische Eltern. *

In der Auswertung zeigte sich eindeutig ein Vorteil für Kinder in Haushalten mit Partnerschaften beider biologischen Elternteile. Das ließ sich aus den sogenannten HbA1c-Werten ablesen. Dieser Blutlaborwert gilt bei Diabetes als Maß für die mittelfristige Blutzuckereinstellung (Prozent der mit Zucker beladenen roten Blutkörperchen). Bei Erwachsenen ist ein HbA1c-Wert von mehr als 6,5 Prozent das Zeichen für einen Diabetes. Zuckerkranke Kinder und Jugendliche bis zu 18 Jahre mit Diabetes sollten nach den neuesten österreichischen Empfehlungen HbA1c-Werte von weniger als sieben Prozent aufweisen, wenn es dabei nicht zu Komplikationen („Unterzuckerung“, Hypoglykämie) kommt.

Komplikationen in „intakten“ Familien weniger häufig

In der neuen Studie zeigte sich jedenfalls, dass die Familienstruktur deutliche Auswirkungen auf die jungen Typ-1-Diabetes-Patienten hat: Lebten beide Elternteile im gemeinsamen Haushalt lag ihr HbA1c-Wert bei 7,7 Prozent. War nur ein Elternteil im Haushalt vorhanden, betrug der durchschnittliche HbA1c-Wert bereits 8,06 Prozent. 8,07 Prozent waren es in Patchwork-Familien und 8,21 Prozent, wenn die Kinder bzw. Jugendlichen ohne ihre biologischen Eltern aufwuchsen.

Innerhalb der Familien von jungen Typ-1-Diabetikern mit beiden Elternteilen zu Hause, gab es den größten Unterschied nach dem Beschäftigungsstatus des Vaters. Arbeiteten Mutter und Vater beide in Vollzeit-Beschäftigungen, betrug der HbA1c-Wert des betroffenen Kindes im Durchschnitt 7,63 Prozent. Hatte der Vater hingegen seinen Job verloren und war arbeitslos, wurde ein HbA1c-Wert bei dem Diabetes-kranken Kind von durchschnittlich 7,96 Prozent gemessen. Auch die akuten Komplikationen der häufigsten Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen waren in „intakten“ Familien weniger häufig. Das betraf Episoden von schwerer Unterzuckerung genauso wie Phasen extrem hoher Blutzuckerwerte und die Häufigkeit von notwendigen Spitalsaufnahmen.

„Diese Ergebnisse betonen die Bedeutung einer sorgfältigen Betrachtung der Familienstruktur und der Arbeitssituationen (der Eltern; Anm.) bei Management von Typ-1-Diabetes im Kindes- und Jugendalter“, schrieben die Fachleute. Allfällige Risikofaktoren sollten in der Beratung und Betreuung der Betroffenen berücksichtigt werden.

Studie