ILC 2023

Studienlandschaft am ILC: Langjährig, mit Zusatznutzen und künstlicher Intelligenz

Der internationale Leberkongress wartet jährlich mit Highlights zu Studien zur Behandlung von Lebererkrankungen auf. Aus 1.800 Abstracts wurden fünf Highlights ausgewählt und bei der offiziellen Pressekonferenz am Donnerstag vorgestellt. Neben Studien zu Fäkaltransplantationen und NASH (medinlive berichtete), waren darunter auch Arbeiten zu dem Opioid-Ersatzstoff Naltrexon, ein KI-Modell, das die Überlebensraten von Zirrhose-Patient:innenen vorhersagt sowie eine langjährige Studie zur Wirksamkeit von Tenofovir Alafenamid bei chronischer Hepatitis B.

Claudia Tschabuschnig

Angesichts des dringenden Bedarfs an wirksamen Behandlungen für alkoholbedingte Lebererkrankungen wurde in einer randomisierten Doppelblindstudie die Sicherheit und Wirksamkeit von Naltrexon bei Zirrhosepatienten mit Alkoholabhängigkeit untersucht. Manasa Alla vom Institute of Liver and Biliary Science in Neu-Delhi, Indien, berichtete, dass Naltrexon bei Patient:innen mit kompensierter Zirrhose sicher verabreicht werden kann und nach drei Monaten eine wirksame Abstinenz und eine Verringerung des Alkoholverlangens bewirkt. Da der fortgesetzte Alkoholkonsum bei alkoholbedingten Lebererkrankungen eine wichtige Rolle für die Langzeitfolgen spielt, zeigen diese Ergebnisse, dass Naltrexon das Überleben und Wohlbefinden der Patient:innen positiv beeinflussen kann.

Deep-Learning-Modell prognostiziert Medikamentenwirksamkeit

Künstliche Intelligenz wird auch die Medizinwelt auf den Kopf stellen. In der Hepatologie wurde AI eingesetzt, um das Ansprechen auf Atezolizumab-Bevacizumab bei fortgeschrittenem Leberkrebs vorherzusagen. Die Standardtherapie für das fortgeschrittene Leberzellkarzinom (HCC) besteht in einer Kombinationstherapie aus Atezolizumab und Bevacizumab. Allerdings zeigt nur eine kleine Gruppe von Patient:innen ein objektives Ansprechen, was die Entwicklung von prädiktiven Biomarkern zur Verbesserung der Patientenstratifizierung und der Behandlungsergebnisse erforderlich macht. Julien Calderaro vom Henri-Mondor-Universitätskrankenhaus in Créteil, Frankreich, stellte eine Studie vor, in der Forscher ein Deep-Learning-Modell entwickelten, das den ABRS-Genexpressionswert direkt aus histologischen Digitalpräparaten von HCC schätzte.

Präsentation eines Deep Learning Modells am ILC 2023. © Andrew McConnell / EASL Congress 2023
Präsentation eines Deep Learning Modells am ILC 2023. © Andrew McConnell / EASL Congress 2023


Dieses Modell sagte erfolgreich das progressionsfreie Überleben bei behandelten Patient:innen voraus, was das Potenzial für eine kosteneffiziente und schnelle Umsetzung von KI-basierten Biomarkern in der klinischen Praxis belegt. Darüber hinaus lieferte die Kombination von KI-Vorhersage-Heatmaps mit räumlicher Transkriptomik wertvolle Einblicke in die molekularen Merkmale, die mit Bereichen mit hohem Vorhersagewert verbunden sind. Das ebnet den Weg für weitere Fortschritte in der personalisierten Medizin.

Langfristige Wirksamkeit von Tenofovir Alafenamid bei chronischer Hepatitis B

Ebenfalls vorgestellt wurden die Endergebnisse von zwei Phase-3-Studien zur Bewertung der langfristigen Wirksamkeit von Tenofovir Alafenamid (TAF) bei HBeAg-positiven und -negativen chronischen Hepatitis-B-Patienten.  Maria Buti vom Krankenhaus Universitario Vall d'Hebron in Barcelona, Spanien, berichtete, dass TAF über eine beachtliche Behandlungsdauer von fast acht Jahren in den Doppelblindstudien eine nicht geringere Wirksamkeit als Tenofovir Disoproxilfumarat (TDF) zeigte. Die virologischen Suppressionsraten blieben in allen Gruppen konstant hoch, wobei bis zu 33 Prozent eine HBeAg/HBeAb-Serokonversion erreichten. Obwohl der HBsAg-Verlust gering war (≤5 Prozent), unterstreichen diese Langzeitergebnisse die anhaltende Wirksamkeit von TAF bei der Behandlung chronischer Hepatitis B.

Jährlich wartet der Internationale Leberkongress (ILC), der von der Europäischen Vereinigung für das Studium der Leber (EASL) ausgerichtet wird, mit wissenschaftlichen Durchbrüchen auf. Dieses Jahr findet er von 21. bis 24. Juni in der Messe Wien statt und verspricht Highlights zu Studien zur Behandlung der schweren alkoholischen Leberzirrhose. Auch werden Ergebnisse aus zwei Phase-III-Studien mit neuen Medikamenten zur Behandlung von Fettlebererkrankungen erwartet, ebenso wie einige bahnbrechende Studien zu Fäkaltransplantationen sowie Naltrexon zur Unterstützung der Alkoholabstinenz bei Patient:innen mit Leberzirrhose.

Der ILC zieht wissenschaftliche und medizinische Experten aus der ganzen Welt an, die sich über die neuesten Erkenntnisse der Leberforschung informieren und klinische Erfahrungen austauschen. Rund 8.000 Forscher, Ärzt:innen sowie Vertreter aus Industrie, Politik und Fachmedien, außerdem Betroffene aus etwa 120 Ländern in der Stadt nehmen an dem Kongress teil. Die teilnehmenden Fachleute präsentieren, diskutieren und ziehen Schlussfolgerungen aus den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen in der Hepatologie und arbeiten daran, die Behandlung und das Management von Lebererkrankungen in der klinischen Praxis zu verbessern.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1966 ist die gemeinnützige Organisation EASL auf über 4.500 Mitglieder aus aller Welt angewachsen, darunter viele der führenden Hepatologen in Europa und darüber hinaus. EASL ist die führende Lebervereinigung in Europa, die sich zu einem bedeutenden europäischen Verband mit internationalem Einfluss entwickelt hat und eine beeindruckende Erfolgsbilanz bei der Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Lebererkrankungen, der Unterstützung einer breiteren Ausbildung und der Förderung von Veränderungen in der europäischen Leberpolitik vorweisen kann. 

Hintergrund:

ILc2023
Jährlich wartet der Internationale Leberkongress (ILC), der von der Europäischen Vereinigung für das Studium der Leber (EASL) ausgerichtet wird, mit wissenschaftlichen Durchbrüchen auf. Dieses Jahr findet er von 21. bis 24. Juni in der Messe Wien statt.
© Steve Forrest / EASL Congress 2023