Wiener Physiker lassen Quanten-Dominoeffekt vom Stapel

Wie man in einem zuvor raffiniert präparierten Quantensystem durch ein kleines Anschubsen eine verhältnismäßig sehr große Veränderung bewirkt, zeigen Wiener Physiker im Fachblatt „Physical Review Letters“. Dieses Auslösen eines Domino- oder Lawineneffekts könnte künftig als eine Art Verstärker winziger elektromagnetischer Pulse oder als Quanten-Batterie genutzt werden, heißt es seitens der Technischen Universität (TU) Wien.

red/Agenturen

Forscher nutzten seit einiger Zeit gezielt Fehler im Kohlenstoffgitter von Diamanten, um darin Quantenzustände sozusagen einzulagern. Diese aus einem Stickstoffatom und einem Loch bestehenden Unregelmäßigkeiten können mittels Mikrowellen zwischen einem Zustand höherer und niedrigerer Energie hin- und hergeschaltet werden. Genau nach solchen Systemen suchen Quantenphysiker, wenn es etwa darum geht, Bauteile zum Aufbewahren oder Detektieren von Quanteninformation in neuartigen Computern oder Messgeräten zu entwickeln.

Dem Wiener Team um Studien-Erstautor Wenzel Kersten, Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU und den theoretischen Physiker Stefan Rotter gelang es nun, in einem derart „fehlerhaften“ Diamanten alle Defekte im Ensemble - wie bei gleichzeitig aufgerichteten Dominosteinen - in den Zustand hoher Energie zu versetzen. Das bewerkstelligen die Wissenschafter mit Mikrowellenstrahlung. Allerdings geht diese Präparierung sehr schnell verloren, da das System eigentlich den Zustand niedriger Energie bevorzugt.

Dem Team gelang es aber, den Hochenergie-Status mit einem Magnetfeld „einzufrieren“, wie es Rotter ausdrückt. Dadurch erreicht der Zustand ein für Quantensysteme fast biblisches Alter von 20 Millisekunden. „Das ist ungefähr hunderttausend Mal so lange wie es dauert, diesen energiereichen Zustand zu erzeugen oder ihn wieder zu entladen. Das ist, als hätte man einen Handyakku, der in einer Stunde aufgeladen wird und dann zehn Jahre lang seine Energie vollständig hält“, so Schmiedmayer.

Der Clou daran ist nun, dass die Physiker den besonderen Aufbau durch ein sehr kleines energetisches Anschubsen sehr rasch umdrehen können. Bringt ein kleiner Mikrowellenpuls nur ein Atom dazu, seinen Zustand zu wechseln, löst das in der Folge den gleichen Effekt bei den anderen Ensemble-Mitgliedern aus.

Dann wird die gesamte Energie auf einmal freigesetzt, „und zwar in Form eines Mikrowellenpulses, der rund hundert Milliarden mal stärker ist als jener, mit dem man den Effekt ursprünglich ausgelöst hat“, sagte Rotter. Damit habe man nun eine neue Art Quanten-Verstärker für ganz schwache elektromagnetische Pulse oder eine Möglichkeit zur Speicherung und Freisetzung von Energie auf Quantenebene an der Hand, so die Forscher.