Chirurgie

Roboterchirurgie erhöht Heilungschancen

In den vergangenen Monaten hat auch in Österreich mit der Aufstellung mehrerer zusätzlicher Systeme die Roboterchirurgie einen weiteren Aufschwung erlebt. Wissenschafter der Universitätsklinik Dresden haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass das Verfahren bei Speiseröhrenkrebs die Situation der Patient:innen im Vergleich zur herkömmlichen „offenen“ Operation per Skalpell deutlich verbessert.

red/Agenturen

„Bei der chirurgischen Entfernung der Speiseröhre bei Patient:innen mit Speiseröhrenkrebs hat die Wahl der Operationsmethode entscheidenden Einfluss darauf, ob es nach der OP zu einem übermäßigen Rückgang der Muskelmasse (Sarkopenie; Anm.) kommt. Ein roboterassistierter minimalinvasiver Eingriff senkt das Sarkopenie-Risiko verglichen mit einer offenen Operation erheblich, mit potenziellen Vorteilen für das Überleben und einen komplikationsarmen Verlauf nach dem Eingriff“, schrieb jetzt die Universitätsklinik Dresden. Diesen Zusammenhang hätten Wissenschafter vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) erstmals beweisen können.

Speiseröhrenkrebs (Ösophaguskarzinom) ist weltweit die sechsthäufigste krebsbedingte Todesursache. Bei lokal begrenztem Tumor ist die Entfernung der Speiseröhre (Ösophagektomie), häufig in Kombination mit Chemo- und Strahlentherapie, der entscheidende Faktor für eine mögliche Heilung. Ein negativer Faktor für den weiteren Behandlungsverlauf ist aber die Sarkopenie, die zu einer starken Schwächung führt. Dabei kommt es offenbar auf die Wahl des Operationsverfahrens an. Während bei der „offenen“ Operation Brust- und Bauchraum eröffnet werden müssen, kommt die roboterassistierte minimalinvasive Operation mit kleinen Schnitten aus. Durch sie werden bewegliche Instrumente eingeführt, die der Chirurg über Roboterarme äußerst präzise steuern kann.

Geringeres Sarkopenie-Risiko

„Das führt zu geringeren Gewebeschäden durch die Operation und entsprechend weniger Entzündungsreaktionen. Patienten haben weniger Schmerzen, sind früher wieder mobil und können besser Nahrung aufnehmen. All dies dürften Gründe für das geringere Sarkopenie-Risiko nach minimalinvasivem Eingriff sein“, erklärte der Erstautor einer aktuellen Studie aus Dresden, Felix Merboth. „Ideal ist es, wenn die innovative OP-Methode bereits vor dem Eingriff mit einer vorbeugenden Ernährungs-, Bewegungs- und psychologischen Therapie gegen Sarkopenie kombiniert wird.“

Das Forschungsteam wertete in der Untersuchung die Daten von 168 Patient:innen mit einem Ösophaguskarzinom aus, bei denen zwischen 2013 und 2020 die Speiseröhre am Universitätsklinikum Dresden operativ entfernt wurde. Die Hälfte der Betroffenen erhielt eine offene Operation, der andere Teil einen minimalinvasiven, robotergestützten Eingriff. In 540 Computertomographie-Bildern, die vor der Operation, sowie drei, sechs, neun und zwölf Monate nach der Operation routinemäßig erstellt wurden, maßen die Wissenschafter zwei zur Sarkopenie-Bestimmung etablierte Indikatoren - den Skelettmuskelindex (SMI) sowie die Psoasmuskeldicke im Verhältnis zur Körpergröße (PMTH). Der Psoasmuskel (Lenden-Darmbeinmuskel) ist der stärkste Hüftbeuger des menschlichen Körpers. Seine Dicke wird als Parameter für die Muskelmasse verwendet.

Ergebnis mit hoher klinischer Relevanz

Die Resultate der Analysen zeigten einen deutlichen Vorteil bei roboteruntstützter Chirurgie. Patienten, die eine offene Operation erhalten hatten, wiesen sechs Monate nach dem Eingriff einen Rückgang der Skelettmuskelfläche bezogen auf die Körpergröße (SMI) von knapp 13 Prozent auf. Bei Betroffenen, die mit der minimalinvasiven-roboterunterstützten Methode operiert worden waren, lag der prozentuale Rückgang des SMI verglichen mit dem Wert vor der Operation nur bei einem Prozent. Für den zweiten Sarkopenie-Indikator PMTH zeigten sich vergleichbare Unterschiede. Ein Rückgang des SMI gegenüber dem präoperativen Wert von mehr als neun bis zehn Prozent führt Studien zufolge zu einem schlechteren Gesamt- und krankheitsfreien Überleben.

„Das Ergebnis hat hohe klinische Relevanz, da sich ein übermäßiger Verlust an Skelettmuskulatur in den ersten Monaten nach der Operation nachweislich negativ auf das Langzeitüberleben und das Rückfallrisiko der Patient:innen auswirkt“, erklärte Studienleiterin Johanna Kirchberg. „Unsere Untersuchung belegt erstmals, dass die Wahl der Operationsmethode der entscheidende Faktor dafür ist, ob sich nach der OP eine Sarkopenie herausbildet.“

Roboterunterstützte Chirurgie seit der Jahrtausendwende

Die roboterunterstützte Chirurgie gibt es seit rund 20 Jahren. Ihre Entwicklung geht ursprünglich auf die DARPA-Initiative (Defense Advanced Research Projects Agency) des US-Verteidigungsministeriums zurück. Entstehen sollte ein System, mit dem Patienten auch in unzugänglichen Regionen quasi ferngesteuert operiert werden können. Die erste Zulassung erfolgte in Europa, weil die USA um die Jahrtausendwende mit der Registrierung von Medizinprodukten via Arzneimittelbehörde FDA langsamer waren als die EU. Auf den Markt gebracht wurden die Robotersysteme von dem in Kalifornien ansässigen Technologieunternehmen Intuitive Surgical. Bekannt wurde speziell das „da Vinci“-System.

2001 wurde in Europa die erste radikale Entfernung einer Prostata per Roboterchirurgie durchgeführt. Solche Eingriffe wegen eines Prostatakarzinoms wurden bald zum Hauptanwendungsgebiet. Hinzu kamen mit der Zeit Nierenoperationen (Nierenzellkarzinom). „Jetzt kommen aber die Allgemeinchirurgen mit Eingriffen am Enddarm, Ösophagus, der Speiseröhre oder der Bauchspeicheldrüse. Das sind extrem komplexe Operationen. Das beginnt gerade“, erklärte im vergangenen Oktober der Linzer Urologe Wolfgang Loidl, der roboterunterstützt seit 2008 operiert.

Studie

 

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Roboterchirurgie
Das "Da Vinci" Robotersystem im Einsatz.
APA