Augenheilkunde

Vorsicht bei Wunsch nach „Brillenfreiheit"

Zunehmend denken Menschen schon vor dem Auftreten eines Grauen Stars, also einer altersbedingten Linsentrübung, daran, sich Kunstlinsen einsetzen zu lassen. Sie wollen auch bei Alterssichtigkeit „brillenfrei“ bleiben. Doch deutsche Spezialisten raten zur Vorsicht. Die oft dabei verwendeten modernen Trifokallinsen können Probleme machen.

red/Agenturen

Ursächlich für die Alterssichtigkeit ist die nachlassende Elastizität der Augenlinse. Mit zunehmendem Alter verliert diese mehr und mehr die Fähigkeit, sich kugelig abzurunden und so die hohe Brechkraft zu erreichen, die für kurze Distanzen notwendig ist. „In dieser Zeit rückt der Nahpunkt, bis zu dem gerade noch scharf gestellt werden kann, immer weiter vom Auge weg“, erläuterte Gerd Auffarth, Ärztlicher Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Heidelberg, vor kurzem aus Anlass der Jahrestagung Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) in Berlin. „Dieser Prozess vollzieht sich schleichend und erstreckt sich meist über rund zehn Jahre.“

Wer auch im fortgeschritteneren Alter ohne Brille leben möchte, hat die Möglichkeit, diese „Altersweitsichtigkeit“ durch eine Operation am Auge korrigieren zu lassen. „Insbesondere, wer sich schon in jungen Jahren hat lasern lassen, um 'brillenfrei' zu sein, empfindet diese erneute Brillenabhängigkeit (bei Auftreten der Alterserscheinung; Anm.) als sehr einschränkend“, berichtete Auffarth. Bei der Korrektur wird die natürliche Linse entfernt und eine Kunstlinse an ihre Stelle gesetzt. Um den Eingriff von der prinzipiell gleich ablaufenden Grauen-Star-Operation abzugrenzen, spricht man von einem refraktiven - also nur zur Verbesserung der Sehschärfe vorgenommenen - Linsenaustausch.

„Heute stehen für diese Anwendung mehrere Arten von Intraokularlinsen zur Verfügung“, sagte der deutsche Experte. „Am bekanntesten sind die sogenannten Trifokallinsen, die das Licht auf drei unterschiedliche Brennpunkte verteilen und so eine gute Sehschärfe im Nah-, Fern- und Zwischenbereich ermöglichen.“ Darüber hinaus gibt es Linsen mit zwei oder vier Brennpunkten, sowie monofokale Linsen - letztere können jedoch mit ihrer Festlegung auf einen Fokus keine Brillenunabhängigkeit bewirken und werden daher in der refraktiven Augenchirurgie nur selten eingesetzt.

Die Angelegenheit hat aber auch eine Kehrseite: Völlige Brillenfreiheit, also gute Sehschärfe in allen Bereichen, gibt es zu einem physikalisch bedingten optischen Preis: Durch die Verteilung des Lichts auf mehrere Brennpunkte entstehen Überlappungszonen, die zu unerwünschten Lichteffekten führen - etwa einer erhöhten Blendempfindlichkeit und dem Entstehen von „Höfen“ um Lichtquellen, sogenannten Halos. „Sie können besonders nachts im Straßenverkehr sehr störend wirken und im Einzelfall sogar zur Entfernung der Intraokularlinse führen. Wer beruflich oder privat häufig im Dunkeln Auto fährt, sollte daher möglicherweise auf den Einsatz von Multifokallinsen verzichten“, riet Auffarth.

Das Problem der Halo-Bildung sollen neuere, sogenannte Tiefenschärfelinsen („extended depth of focus“, EDOF) verringern, die nach dem Prinzip der Gleitsichtbrille weichere Übergänge zwischen den Sehbereichen ermöglichen und die Sicht auch bei schwierigen Lichtverhältnissen verbessern sollen. „Mit EDOF-Linsen wird der Fern- und Zwischenbereich zuverlässig abgedeckt, im Nahbereich kann zum Teil jedoch noch eine Brille notwendig sein“, sagte der Experte. Auch der Halo-Effekt verschwinde nicht ganz. „Die eine Intraokularlinse, die für alle Patientinnen und Patienten geeignet ist, gibt es nicht“, betonte Auffarth.

Generell sei die Zufriedenheit der Patienten nach einem refraktiven Linsenaustausch jedoch sehr hoch. Manchmal, so der Augenarzt, gibt es Unzufriedenheit mit der Performance in manchen Sehbereichen - zum Beispiel nur mit der Fernsicht oder nur mit dem Zwischenbereich. „In diesen Fällen kann eine Hornhautverkrümmung vorliegen, die bei der Intraokularlinsenberechnung nicht oder nur unzureichend korrigiert worden ist“, sagte der deutsche Experte.

Der Linsenaustausch selbst ist unkompliziert und dauert nur rund 20 Minuten. „Es handelt sich grundsätzlich um ein sehr sicheres Verfahren, das bei der Grauen-Star-Operation bereits millionenfach erprobt wurde“, erklärte Auffarth. Dennoch gebe es Restrisiken. In extrem seltenen Fällen, zum Beispiel, wenn bei der Operation Keime in das Auge gelangen und es zu einer Infektion kommt, kann es sogar bis zur Erblindung kommen. Bei zuvor stark kurzsichtigen Menschen könne der Eingriff auch das Risiko für eine Netzhautablösung erhöhen.

„Bei der Alterssichtigkeit handelt es sich streng genommen nicht um eine Erkrankung, sondern um eine normale Alterserscheinung“, betont Auffarth. „Nutzen und Risiko müssen bei einem solchen Eingriff, der im Prinzip 'nur' eine Lifestyle-Verbesserung erzielen soll, daher besonders gut gegeneinander abgewogen werden.“

 

Brille auf Buch
Die nachlassende Elastizität der Augenlinse ist der Grund für die so genannte Alterssichtigkeit.
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