Hitze

Bis zu 40 Hitzetage mit mehr als 30 Grad pro Jahr in Österreich

Die erste Hitzewelle des Jahres erreicht am heutigen Donnerstag ihren Höhepunkt, stellenweise sind bis zu 35 Grad möglich. Die Zahl der Hitzetage (mindestens 30 Grad) hat sich in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht, die Rekorde lagen bei mehr als 40 Tagen pro Jahr. Hitzewarnungen können Leben retten, betonten Expert:innen in einer Aussendung.

red/Agenturen

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), die GeoSphere Austria sowie das Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) weisen gemeinsam auf die Wichtigkeit rascher Hitzeinformationen hin. Mit Bewusstseinsbildung und gesellschaftlicher Solidarität, rechtzeitiger Hitzewarnungen und abgestimmter Planung könnten letztlich die meisten hitzebedingten Krankenhausaufenthalte und Todesfälle vermieden werden.

Mit dem Sommer kommt es wieder zu Hitzewellen, also mehrere aufeinanderfolgende heiße Tage. Das hat auch Konsequenzen für den menschlichen Körper: Belastungen, Krankenhausaufenthalte und hitzebedingte Todesfälle nehmen drastisch zu. Der Behaglichkeitsbereich eines bekleideten Menschen im Ruhezustand liegt um die 23 Grad Celsius. Bei sehr hohen Temperaturen und vor allem langanhaltender Hitze muss der menschliche Körper Schwerstarbeit leisten. Das Herz-Kreislaufsystem wird stärker beansprucht und es kommt in Folge zu Kopfschmerzen, Dehydrierung, Reizbarkeit, Übelkeit, Schwindel, Erschöpfungs- und Schwächegefühl bis hin zu Muskel- und Bauchkrämpfen, Fieber und Kreislaufkollaps. Wenn der Körper so beschäftigt ist, nimmt natürlich die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit auch ab.

„Hitze betrifft die gesamte Bevölkerung: vom Baby oder Kleinkind bis zum Erwachsenen, aber insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen wie ältere und/oder pflegebedürftige Personen, Kinder insbesondere Säuglinge und Kleinkinder, schwangere Frauen, Personen mit chronischen Erkrankungen“, sagte Andrea E. Schmidt, Leiterin des Kompetenzzentrums Klima und Gesundheit der GÖG. Zunehmend mehr Menschen benötigen ärztliche Betreuung. „Unsere Auswertungen der langjährigen Zeitreihen zu Hospitalisierungen aufgrund von Hitzeschlägen, Sonnenstich oder Hitzekollaps zeigen, dass in heißen Sommern die Inzidenz dieser Diagnosen durchschnittlich rund 27 Prozent höher ist als in den restlichen Sommern“, erläuterte Schmidt.

Extreme Hitzewellen führen auch zu mehr Todesfällen aufgrund von kardiorespiratorischen und anderen Krankheiten sowie zu Übersterblichkeit. „In den Jahren 2017 und 2018, in den denen es Rekordwerte an Hitzetagen und Tropennächten gegeben hat, war auch die Hitze-assoziierte Übersterblichkeit deutlich höher als in den Jahren zuvor oder danach“, berichtete Bernhard Benka, Leiter des AGES-Geschäftsfelds Öffentliche Gesundheit. 2017 wurden 375 Hitze-assozierte Todesfälle registriert, 2018 waren es 550. Im Vorjahr gab es 231 Hitze-assozierte Todesfälle.

Engagierter Klimaschutz kann weitere Zunahme der Hitzetage bremsen. Im Zeitraum 1961 bis 1990 gab es zum Beispiel in den Landeshauptstädten Österreichs pro Jahr zwischen drei und zwölf Hitzetage, die Rekorde lagen größtenteils bei 20 Hitzetagen pro Jahr. Im Zeitraum 1991 bis 2020 gab es in einem durchschnittlichen Jahr in den Landeshauptstädten bereits zwischen neun und 23 Hitzetage und die Rekorde lagen größtenteils bei mehr als 40 Hitzetagen. Beim Innsbrucker Flughafen gab es in diesen drei Jahrzehnten mit 22,6 Hitze-Tagen die meisten in den heimischen Landeshauptstädten, in Eisenstadt waren es 21 und bei der Hohen Warte in Wien 20,9. Die geringste Zahl verzeichnete Bregenz mit durchschnittlich 8,5 Hitzetage pro Jahr.

„Der derzeit noch extreme Wert von 40 Hitzetagen pro Jahr in Österreich wird bei einem weltweit ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2100 der Normalfall sein“, sagte Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klima-Folgen-Forschung der GeoSphere Austria. „Die Rekorde werden dann in einem derzeit noch völlig unvorstellbaren Bereich von 60 bis 80 Hitzetagen pro Jahr liegen. Bei Einhaltung des Pariser Klimaziels könnte sich die Zahl der Hitzetage in Österreich knapp über dem aktuellen Niveau einpendeln.“ Mit Einhaltung des Pariser Klimaziels – die globalen Erwärmung auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen – wird es laut der GeoSphere-Prognose zwischen 2071 und 2100 27,5 Hitzetage pro Jahr in Innsbruck geben und jeweils 25,6 in Wien und Eisenstadt.

Städtebau hat einen starken Einfluss auf die Hitzebelastung. Gezielte Maßnahmen, wie Begrünung, reflektierende Dachfarben, eine geeignete Art der Bebauung und Wasserflächen können die extreme Hitzebelastung in den Städten effizient vermindern. Mit speziellen Computerprogrammen (Stadtklimamodellen) berechnet die GeoSphere Austria sehr detailliert, wie sich unterschiedliche Maßnahmen im Städtebau auf die jeweiligen Stadtteile auswirken. 2022 wurde das Projekt Lucretia abgeschlossen, das den Einfluss von unterschiedlichen Arten von Landnutzung und Landbedeckung auf die Temperatur in Wien und Graz untersuchte. „Ein Ergebnis der Berechnungen war zum Beispiel, dass die Umwandlung von Acker- in Industriefläche zu einem durchschnittlichen Anstieg von ungefähr zwölf Sommertagen pro Jahr führt, also Tagen mit mindestens 25 Grad. Umgekehrt führt die Umwandlung von Straßenflächen in Grünfläche zu einer Reduktion von durchschnittlich etwa acht Sommertagen pro Jahr“, erläuterte die Stadtklima-Expertin Maja Zuvela-Aloise (GeoSphere). „Grob gesagt können massive Änderungen der Bebauung die Zahl der Sommertage um ungefähr 20 bis 80 Prozent erhöhen oder senken.“

Das Hitze-Mortalitätsmonitoring wird von der AGES in Zusammenarbeit mit GeoSphere Austria, Statistik Austria und TU Graz durchgeführt. Es basiert auf statistischen Zeitreihenanalysen, in die fallbasierte All-Ursachen-Sterbedaten und tägliche Messwerte der maximalen sowie der minimalen Lufttemperatur einfließen. Seit 2019 werden für die Temperatur tägliche Messwerte von 181 Messstationen im gesamten Bundesgebiet herangezogen. Ist in einer Region eine Hitzewelle zu erwarten, schickt die GeoSphere Warnungen an Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altersheime, Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Freiwilligen- und Blaulichtorganisationen. „Das immer genauere Wissen um die Hitze-assoziierte Übersterblichkeit ist wichtig, da die meisten hitzebedingten Krankheits- und Todesfälle durch bessere Vorbereitung und Vermeidung von Exposition vermieden werden könnten“, betonte Benka.

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Mit Bewusstseinsbildung und gesellschaftlicher Solidarität, rechtzeitiger Hitzewarnungen und abgestimmter Planung könnten letztlich die meisten hitzebedingten Krankenhausaufenthalte und Todesfälle vermieden werden.
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