Grüne sehen Tirols Gesundheitssystem als Notfall, Maßnahmen vorgelegt

Die oppositionellen Grünen stufen das Tiroler Gesundheitssystem als „Notfallpatient“ ein und wollen diesen mit einem Neun-Punkte-Plan stabilisieren. Dabei müssten zuallererst die „katastrophalen“ Arbeitsbedingungen sowie die Bezahlung verbessert werden, hieß es auf einer Pressekonferenz von Klubobmann Gebi Mair und LAbg. Petra Wohlfahrtstätter am Mittwoch. Zentral seien zudem Gesundheitsförderung sowie die Stärkung medizinischer Handlungsfelder abseits von Operationen.

red/Agenturen

Angesichts Personalnot im Pflegebereich, Ankündigungen von Operationssaal-Schließungen und einem Aus für den Nachtdienst der Zahnambulanz an der Innsbrucker Klinik wollen die Grünen das Problem an der Wurzel packen und mit mittel- und langfristigen Lösungen „neu denken“. Eine Ursache des Problems liege immerhin auch im „Containerdenken“ im Gesundheitssystem. Es gebe zu wenig Kommunikation, Verantwortlichkeiten würden hin- und hergeschoben. „Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut“, attestierte Wohlfahrtstätter. Das soll unter anderem die Gründung einer Spitalsholding für Tirol lösen, so Mair.

Gesundheit und Soziales müssten zusammengedacht werden. „Die jetzige (schwarz-rote, Anm.) Landesregierung tut das nicht“, kritisierte Wohlfahrtstätter. Man wisse, dass Krankheitsursachen auch im sozialen Bereich zu finden seien. In einer entsprechenden Anfragebeantwortung habe Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) jedoch nur bekannt, für Soziales „nicht zuständig zu sein“. Die Grünen wollen hier einerseits auf Gesundheitsförderung von Kindern setzen, andererseits auf Prävention in Sachen psychischer Gesundheit in Schulen. „Die Jungen von heute sind die Patienten von morgen“, erinnerte Mair. Außerdem wolle man verstärkt Möglichkeiten wie „social prescribing“ nutzen. Demnach sollen Ärzte dazu ermutigt werden, etwa einem „schlaflosen Schuldner“ einen Termin bei der Schuldnerberatung zu verschreiben.

Alle notwendigen Operationen müssten zeitnah durchgeführt werden, es sei die Aufgabe des „hochbezahlten“ Managements, hier für Lösungen zu sorgen. Kern der Sache sei indes, dass der Schlüssel im Gesundheitsbereich nicht in MRTs und CTs liege, sondern „bei den Menschen, die dort arbeiten“, resümierte Mair. Auf diese habe man während und seit der Covid-Pandemie „vergessen“, was sich nun räche. Das erste, was man im Gespräch mit Klinikmitarbeitern höre, sei nicht Stolz über die Aufgabe, sondern Ärger über die katastrophalen Arbeitsbedingungen, so Mair. Für die Mitarbeiter in der Pflege und in den OPs „fehlt die Wertschätzung“. Wenn Operationssäle wegen Personalmangels gesperrt würden und dadurch weiteres Personal abwandere, sei schlussendlich auch die Spitzenmedizin in Gefahr, mit deren Ruf man sich in Tirol gerne rühme, warnten die Grünen. Diesen „Rattenschwanz“ gelte es zu stoppen. Ansetzen müsste man hier neben den Arbeitsbedingungen auch bei der Bezahlung. Als Sofortmaßnahme schlugen die Grünen, selbst bis zur Landtagswahl im Vorjahr neun Jahre mit der ÖVP in der Regierung, hier einen Bonus vor, der seit der Pandemie überfällig sei.

Dem Strukturplan Pflege wollen die Grünen im kommenden Oktober-Landtag indes nicht zustimmen, denn dieser sei „nicht zukunftsweisend“. Es fehle die Innovation. „Pflegebedürftigkeit ist kein Schicksal“, mahnte Wohlfahrtstätter. Auch hier müsse angesetzt werden. Auch forderten die Grünen Primärversorgungseinheiten mit entsprechenden Öffnungszeiten. Tirol habe hier viel Geld beim Bund nicht abgeholt.

„Herausfordernde“ Situation

In Tirol machte sich zuletzt die angespannte Personalsituation in den Krankenhäusern bemerkbar. An der Innsbrucker Klinik waren aktuell rund 20 Prozent der Betten gesperrt, hatte tirol-kliniken-Sprecher Johannes Schwamberger zur APA gesagt. Entsprechende landesweite Zahlen abseits der Spitäler der landeseigenen tirol kliniken lagen indes vorerst nicht vor.

Die Situation sei „sehr herausfordernd“, erläuterte Schwamberger: „Es ist eng geworden in letzter Zeit.“ Planbare, nicht dringliche Operationen würden mitunter verschoben werden, die Akutversorgung sei aber keineswegs gefährdet. Ab Oktober sollten Operationssäle im Bereich der Tagesklinik geschlossen werden. Der Schwerpunkt des Personalmangels liege nach wie vor in der Pflege. „Die Abgänge sind minimal höher als sonst. Aber es kommt einfach nix nach“, fasste der tirol-kliniken-Sprecher die Situation eindrücklich zusammen. Wie alle anderen Branchen leide eben auch die Gesundheitsbranche derzeit an einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Ein großes Problem sei zudem weiterhin, dass an der Klinik viele Patienten versorgt werden, die eigentlich entlassen werden sollten - dies sei aber aufgrund eines fehlenden Heimplatzes oder wegen der Situation zuhause oft nicht möglich.

Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) hatte sich gegenüber der APA der Probleme bewusst gezeigt, man wolle gegensteuern. „Derzeit arbeiten wir an verschiedenen weiteren Maßnahmen wie einer Evaluierung des Ärzte- und Ausbildungsbedarfs sowie einer Attraktivierung der Rahmenbedingungen in den Gesundheitsberufen“, ließ Hagele unter anderem wissen.