Welttag des Blutspendens

Karl Landsteiner: Ein Leben für die Forschung

Vom beschaulichen Biedermeierstädtchen Baden, wo er geboren wurde, nach New York, wo der Pathologe 1943 justament in seinem Labor an einem Herzinfarkt starb: Karl Landsteiners Leben war reich an interessanten Stationen. Berühmt über die fachmedizinischen Kreise hinaus machte ihn die Entdeckung der Blutgruppen A, B, AB und 0. Dafür bekam er 1930 hochverdient den Nobelpreis für Medizin. In Österreich wurde er erst spät für seine Verdienste gewürdigt.

Eva Kaiserseder

Der 14. November 1901 war ein keineswegs ungewöhnlicher Donnerstag, wirft man einen Blick in die historischen Zeitläufe. Eigentlich. Für die Medizin allerdings hatte er weitreichende Folgen: „Vor einiger Zeit habe ich beobachtet und mitgetheilt, dass öfters Blutserum von normalen Menschen rothe Blutkörperchen anderer gesunder Individuen zu verklumpen im Stande ist“, so ein Schlüsselsatz von Karl Landsteiners Arbeit, die an diesem Tag in der renommierten „Wiener Klinischen Wochenschrift“ erstmals erschien. „Über Agglutinationserscheinungen des menschlichen Blutes“ lautete der Titel seiner Arbeit, in dem der Pathologe seine Beobachtungen präsentierte.

Der damalige Assistent am pathologisch-anatomischen Institut galt als Arbeitstier, als wissbegieriger Forscher. Für die Publikation in der renommierten WKW trennte er im Labor Blut in die einzelnen Blutbestandteile Serum und Blutkörperchen und mischte die Blutkörperchen verschiedener Probanden daraufhin mit den unterschiedlichen Seren. Bei bestimmten Konstellationen von Serum und Erythrozyten stellte er eine Verklumpung (Agglutination) fest. Und diese scheinbar simple Erkenntnis war von weitreichender Bedeutung. Nur: Die Fachwelt und auch Landsteiner selbst waren von dieser Feststellung nicht besonders beeindruckt. Fürs Erste zumindest. Und das, obwohl man jahrhundertelang bei den Versuchen, Blut zu transfundieren, mit welchen Methoden auch immer, vor einem Rätsel stand: Denn nicht selten endeten diese Versuche bei den Patient:innen tödlich. Der als sehr präzise und arbeitssam geltende Landsteiner hatte dieses Enigma mit seiner Erkenntnis also beinah zufällig gelöst.

Das Poliovirus unter der Lupe

Der Wiener, der im neunten Bezirk am heutigen Wasagymnasium die Matura machte, als Zwölfjähriger mit seiner Mutter vom Judentum zum Katholizismus konvertierte und schon als 17-jähriger mit dem Medizinstudium begann, war ein Tausendsassa. Sein Vater war ein renommierter Journalist, der die noch heute existierende Tageszeitung „Die Presse“ 1848 mitbegründete und als deren erster Chefredakteur fungierte.

Nach seiner medizinischen Promotion zog es Landsteiner junior nach Deutschland und die Schweiz, um dort sein cheischen Wissen zu vertiefen. Nach der Rückkehr machte er unter anderem eine kurze chirurgische Ausbildung an der I. Chirurgischen Universitätsklinik. Als Assistent war er später am Hygieneinstitut der Universität Wien und danach bis 1908 als Prosektor, grob gesagt als „Sezierer“, am Pathologisch-Anatomischen Institut tätig. In dieser Zeit forschte er intensiv. Zudem wird die von ihm vorgenommen Zahl von 3.639 Obduktionen in rund zehn Jahren kolportiert. 1903 habilitierte er sich für pathologische Anatomie. Über ein Jahrzehnt, zwischen 1908 bis 1920, arbeitete er auch als Prosektor am damaligen Wilhelminenspital. Seine wichtige Forschung rund um das Poliomyelitis-Virus fiel in diese Jahre. So übertrug er erfolgreich Poliomyelitis auf Affen mittels homogenisiertem Rückenmark eines an Kinderlähmung verstorbenen Menschen und stellte fest, dass der Erreger ein filtrierbares Virus ist.

Expat in den USA

Danach folgte die große Zäsur. Weil nach dem ersten Weltkrieg die Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Österreich am Boden lag, ging Landsteiner mit seiner Familie (Sohn Ernst Karl wurde 1917 geboren) zuerst in die Niederlande und später in die USA. An der Wiener Universität war kein Platz für ihn. Man darf annehmen, dass ihm dieser Schritt nicht leicht fiel. Zwischenzeitlich war, auch vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges, die Bluttransfusion mittels Blutkonserven Usus geworden und schon 1907 gelang am Mount Sinai Hospital in New York die erste Bluttransfusion neuer Zeitrechnung mittels diesem Wissen um die Blutgruppen. Natriumcitrat war der gerinnungshemmende Bestandteil, der das möglich machte und somit die direkte Transfusion von Mensch zu Mensch ablöste.

Landsteiner, der 1929 amerikanischer Staatsbürger wurde, forschte und arbeitet weiter unermüdlich. Eine wesentliche Entdeckung gelang ihm 1940, bereits emeritiert: Gemeinsam mit Alexander Solomon Wiener stellte er den so genannten Rhesusfaktor fest. Gemeinsam entwarfen sie ein Testsystem zu dessen Bestimmung. Ist jemand Rhesus-positiv, bedeutet das, ein Rhesus-Antigen ist auf den roten Blutkörperchen vorhanden. Bei Rhesus-negativen Menschen fehlt das Antigen. Auch diese Information ist bei Bluttranfusionen oder in der Schwangerschaft essentiell. Es kann zu gefährlichen Komplikationen wie etwa der Hämagglutination, also der Verklumpung von Erythozyten, kommen, wenn Antikörper gegen das Rhesus-positive Blut gebildet werden. 

Insgesamt 346 wissenschaftliche Arbeiten, 160 alleine in den enorm produktiven New Yroker Jahren, gehen auf Landsteiners Konto. 1936 erschienen zudem sein Standardwerk „The Specificity of Serological Reactions“. 1943 starb er, passend zu seinem der Forschung gewidmeten Leben, in seinem Labor am Rockefeller-Institut an einem Herzinfarkt. Er wurde 75 Jahre alt. Seine Frau, die an Schilddrüsenkrebs erkrankt war und dertwegen er seine letzten Jahre der Onkologie widmete, überlebte ihn nur um einige Monate.

In seinem Heimatland Österreich verwehrte man ihm an der Universität lange ein entsprechendes Andenken: Erst 1961 wurde er im Arkadenhof seiner „Alma mater“, zu deren bekanntesten und erfolgreichsten Alumni er zählte, verewigt.

 

 

 

 

 

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