Autoimmunerkrankungen

„Eine lebenslange Herausforderung"

Autoimmunerkrankungen sind ein weites Feld. Die Symptome können enorm vielfältig sein, zudem gibt es viele seltene Erkrankungen, die oft lange brauchen, um diagnostiziert zu werden. Warum Interdisziplinarität gerade hier so wichtig ist, wie die Behandlung von Autoimmunerkrankungen gut gelingt und was man den Patient:innen bei der Diagnosestellung mit auf den Weg geben kann, skizziert die Dermatologin Marija Geroldinger-Simić im Interview für medinlive.

Eva Kaiserseder

medinlive: Sie leiten die Autoimmun-Ambulanz im Linzer Ordensklinikum bei den Elisabethinen. Welche Fälle kommen hier in der Praxis am häufigsten vor, welche Diagnosen sind im Steigen begriffen und wo spürt man unter Umständen einen Rückgang?

Marija Geroldinger-Simić: Es gibt keine Daten über die Prävalenz von Autoimmunerkrankungen für Österreich. Durch verbesserte Therapieoptionen in den letzten Jahren steigt die Anzahl von Patient:innen mit Psoriasis, Lupus erythematodes, blasenbildenden Erkrankungen, Sklerodermie oder Vitiligo.

medinlive: Welche Autoimmunerkrankungen sind eine besondere Herausforderung bei der Diagnosefindung und warum? Bekanntlich ist eine möglichst rasche Diagnose ja das A und O bei Autoimmunerkrankungen. 

Geroldinger-Simić: Die Diagnose von Autoimmunerkrankungen kann in vielen Fällen eine Herausforderung darstellen, da sie eine breite Palette von Symptomen verursachen, die sich im Laufe der Zeit ändern können. Diese Symptome können unspezifisch sein wie Müdigkeit, Gelenkschmerzen, Hautausschläge oder Verdauungsprobleme, was die Identifizierung der zugrunde liegenden Ursache zusätzlich erschwert. Autoimmunerkrankungen können sich über einen längeren Zeitraum entwickeln und die Symptome können schubweise auftreten. Dies kann dazu führen, dass die Diagnose verzögert wird, da die Symptome nicht sofort als Anzeichen einer Autoimmunerkrankung erkannt werden. Viele Autoimmunerkrankungen haben keine eindeutigen Biomarker oder Laborergebnisse, die die Diagnose bestätigen.

Ärzt:innen müssen sich oft auf eine Kombination von klinischen Symptomen, Anamnese und Labortests stützen, um eine Diagnose zu stellen. Einige Autoimmunerkrankungen sind selten, was auch zu Verzögerungen führen kann. Die Diagnose von Autoimmunerkrankungen erfordert oft eine sorgfältige Untersuchung durch erfahrene Ärzt:innen, die eine gründliche Anamnese durchführen, eine umfassende körperliche Untersuchung durchführen und geeignete Labortests und Bildgebung anordnen, um eine genaue Diagnose zu stellen. In einigen Fällen kann es notwendig sein, eine Biopsie durchzuführen, um Gewebeproben für eine genauere Diagnose zu erhalten.

medinlive: Interdisziplinarität ist ein wesentlicher Ansatz, um Autoimmunerkrankungen zu begegnen. Sie sind Dermatologin und leiten unter anderem das Autoimmunzentrum am Ordensklinikum Linz, wo ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt wird. Wie sieht dieser genau aus und was ist die Hauptansatzpunkt dabei? Welche Fachdisziplinen arbeiten hier zusammen?

Geroldinger-Simić: Bei Autoimmunerkrankungen sind oft mehrere Organsysteme gleichzeitig betroffen, sodass eine rein organbezogene Behandlung nicht ausreicht. Am Ordensklinikum Linz wurde daher im Jahr 2018 das Autoimmunzentrum für die Abklärung, Diagnostik und Therapie von komplexen Autoimmunerkrankungen gegründet. Damit wollen wir die Chancen erhöhen, unseren Patient:innen eine organübergreifende Diagnose zu stellen und die richtige Behandlung zu ermöglichen.

Seit 2019 finden im Rahmen von Autoimmunboards regelmäßig interdisziplinäre Besprechungen von klinischen Fällen statt, um Diagnostik und Therapie bei Patient:innen mit Autoimmunerkrankungen zu verbessern. Es gibt Kooperation von folgenden Spezialambulanzen und Abteilungen am Ordensklinikum Linz: Dermatologie, Pulmologie, Kardiologie, Rheumatologie, Nephrologie, Hämatologie, Onkologie, Gastroenterologie, Labormedizin, Nuklear Medizin, HNO, Frauenheilkunde, Chirurgie, Radiologie, Mikrobiologie, Pathologie, Klinische Psychologie, Physikalische Medizin.

medinlive: Welche Symptome sind ganz generell im Autoimmunspektrum häufig zu finden und wie begegnet man ihnen etwa medikamentös oder physio- und psychotherapeutisch?

Geroldinger-Simić: Im Autoimmunspektrum können eine Vielzahl von Symptomen auftreten, und die Symptomatik kann von Erkrankung zu Erkrankung und von Person zu Person variieren. Es gibt jedoch einige häufige Symptome, die in vielen Autoimmunerkrankungen auftreten können: Müdigkeit, Gelenkschmerzen und Steifheit, Hautprobleme, Verdauungsprobleme, Muskelschwäche. Die Behandlung von Autoimmunerkrankungen erfolgt oft durch ein multidisziplinäres Team, das aus Ärzt:innen, Physiotherapeuten und Psychologen besteht. Die Wahl der Behandlung hängt von der spezifischen Autoimmunerkrankung, ihrer Schwere und den individuellen Bedürfnissen der Patient:innen ab.

medinlive: Mit der Diagnosestellung Autoimmunkrankheit: Welche Informationen und welches auch mentale Rüstzeug möchten Sie hier explizit Kolleg:innen und Patient:innen mitgeben?

Geroldinger-Simić: Die Diagnose einer Autoimmunkrankheit kann eine lebenslange Herausforderung darstellen, aber mit medizinischer Versorgung und der richtigen Einstellung können viele Menschen ein erfülltes Leben führen und ihre Symptome gut bewältigen. Besonders wichtig sind Verlaufskontrollen sowie die Teilnahme an Selbsthilfegruppen.

medinlive: Ich bedanke mich für das Gespräch!

Autoimmun-Symposium

Seit Jahren verfolgt das Ordensklinikum Linz einen interdisziplinären Ansatz, um Autoimmunerkrankungen abzuklären und zu therapieren.

Beim fünften Autoimmun-Symposium am Freitag, den 6. Oktober und Samstag, den 7. Oktober 2023, werden spannende Themen fächerübergreifend beleuchtet.

Ordensklinikum Linz

Dermatologin Marija Geroldinger-Simić
Die Dermatologin Marija Geroldinger-Simić ist u.A. Leiterin des Autoimmunzentrums und Sklerodermie-Netzwerkes am Ordensklinikum Linz.
Ordensklinikum Linz