Orthopädie

Schrauben aus Knochen verwachsen mit dem Körper

Bei komplizierten Knochenbrüchen werden seit Jahrzehnten Schrauben aus Titan oder Stahl zur Fixierung eingesetzt. Nach der Heilung werden sie wieder entfernt. Die Kinder- und Jugendchirurgie des Uniklinikums Graz setzt weltweit als erste ihrer Art Knochenschrauben ein, die nicht mehr entfernt werden müssen - weil sie vom Körper zu eigenem Gewebe umgebaut werden. Bei 19 Patient:innen wurde die österreichische Innovation bereits erfolgreich implantiert, teilte das Uniklinikum mit.

red/Agenturen

Manche Implantate im Körper wie künstliche Gelenke sollen möglichst lange halten, bei anderen wäre es wiederum besser, wenn sie sich von selbst auflösen: Nach Knochenbrüchen zum Beispiel, die mit Schrauben fixiert werden. Bestehen diese aus einem Material, das der Körper abbauen kann, entfällt dann eine weitere Operation, um die Implantate zu entfernen.

An der Grazer Kinder- und Jugendchirurgie werden jährlich mehr als 3.200 Implantate eingesetzt, um unterschiedlichste Knochenbrüche zu fixieren. Wenn sie ihren Zweck erfüllt haben, müssen sie wieder entfernt werden, denn der Körper wächst weiter, aber das eingesetzte Metall nicht.

Österreichische Erfindung

Seit Jahresbeginn geht man in Graz daher einen neuen Weg - mit einer österreichischen Erfindung, die von einer Linzer Firma und den Instituten für Biomechanik und jenem für Elektronenmikroskopie und Feinstrukturforschung der TU Graz entwickelt wurde. Es handelt sich um Schrauben, die aus Spenderknochen gefertigt sind. Damit sei man weltweit die einzige Kinder- und Jugendchirurgie, die diese Implantate in ihrer Traumaversorgung verwendet, wurde betont.

Der Grazer Chirurg Thomas Petnehazy erklärte die Funktionalität der Knochenschrauben: „Durch einen biointelligenten Prozess, der bereits in den ersten 24 Stunden nach der Implantation einsetzt, wird das Implantat in körpereigenes Knochengewebe umgebaut“. Die Schraube werde von Zellen besiedelt und eigenes Knochengewebe wird auf- und sie selbst dabei abgebaut. „Gefäße siedeln sich an, das Material revitalisiert sich, wird lebendig und schließlich als körpereigen anerkannt“, wurde weiters erläutert.  „Deshalb wird es auch nicht abgestoßen, es kommt zu keinen lokalen Reizzuständen oder einer Lockerung, die wir aber bei Metallschrauben oder jenen Transplantaten, die auf Milchsäure-, Zucker- oder Magnesiumbasis hergestellt sind, durchaus sehen „, ergänzte sein Kollege und Traumateamleiter Ferdinand Füsi.

Am Grazer Uniklinikum wurden die Knochenschrauben bisher 19 Mal bei elf Patienten erfolgreich in minimalinvasiver Operation eingesetzt. Der Eingriff dauert rund 45 Minuten. Die Patienten bleiben danach für einige Tage im Spital.

Bei Gelenks- und Trümmerbrüchen bewährt

Das neue Material habe sich bei Gelenks- und Trümmerbrüchen bewährt, schilderte Holger Till, Vorstand der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie.  „Aufgrund der guten Erfahrungen wird die Indikationsliste für den Einsatz ständig erweitert“, sagte der Vorstand. Er hält vorerst bis zu 100 derartige Eingriffe jährlich in Graz für realistisch. „Was bedeutet, dass 100 Folge-OPs entfallen können und uns diese Ressourcen für andere Patient:innen zur Verfügung stehen“, so Till.

Hergestellt werden die Implantate mithilfe einer eigens dafür entwickelten Technik aus biogenem Material, im konkreten Fall aus menschlichen Oberschenkelknochen. Durch einen Sterilisationsprozess sei höchste Sicherheit und der Erhalt der natürlichen Knochenstrukturen und Mikroarchitektur gewährleistet.

Ursprünglich wurde das neuartige Knochenmaterial primär für die Versorgung von altersbedingter Arthrose entwickelt und ist seit Längerem bei erwachsenen Patienten im Einsatz - an der Uniklinik für Traumatologie und Orthopädie des Uniklinikum Graz beispielsweise u. a. bei Kahnbeinfrakturen, die nicht heilen -, in der Fußchirurgie oder generell, wenn zu wenig körpereigenes Knochenmaterial vorhanden ist.

 

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Eine österreichische Innovation ist weltweit erstmals bei Kindern und Jugendlichen in Graz im Einsatz.
APA