Neurowissenschaften

Spiellieder prägen Sprachfähigkeiten von Kleinkindern

Dass Vorsingen durch Eltern die Sprachentwicklung des Nachwuchses prägt, wollen Wiener und Londoner Forscher belegt haben. Dabei zeigte sich ein entsprechender Zusammenhang vor allem bei Spielliedern, die eine abwechslungsreiche Tonalität, Rhythmik und Überraschungsmomente haben. Die Verarbeitung der Lieder und Reaktion der Babys auf Rhythmen stand in Beziehung zur späteren Größe des Wortschatzes, berichten die Forscher im Fachjournal „Developmental Cognitive Neuroscience“.

red/Agenturen

Ziel der Wissenschafter aus dem Wiener Kinderstudien Labor der Universität Wien und von der University of East London war es laut Aussendung, aufzuzeigen, wie junge Säuglinge auf von der Mutter vorgesungene Rhythmen reagieren und welche Folgen die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Rhythmen für die Sprachentwicklung hat.

Es wurden zunächst 30 sieben Monate alte Kinder im Labor beobachtet, wie sie bei einem durch die Mutter vorgesungenen, achtstrophigen Schlaflied („Schlaf, Kindlein schlaf“) und einem achtstrophigen Spiellied („Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“) mit ihrer über Elektroenzephalografie (EEG) gemessenen Gehirnaktivität reagierten und inwiefern, so die Autoren, die Lieder „neuronal getracked“ wurden: „Es hat sich gezeigt, dass die Gehirnwellen der Babys den Klang des Gesangs widerspiegeln können, nämlich insbesondere beim Schlaflied“, sagte Gabriela Markova vom Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Uni Wien.

Das sei auch wenig überraschend gewesen: „Die Funktion von Schlafliedern ist, die Kinder zu beruhigen. Es hat sehr reguläre und vorhersehbare Strukturen. Das hat wahrscheinlich das Tracking erleichtert“, so Markova, die von Wiener Seite mit Trinh Nguyen und Stefanie Höhl an den Studien beteiligt war. Mehr rhythmische Bewegungen zeigten die Säuglinge während des Spiellieds, das sie demnach mehr anregte, hieß es.

In einem weiteren Versuch waren wiederum 30 sieben Monate alte Kinder nicht, wie im ersten Setting, in einer Babyschale gebettet, sondern saßen mit mehr Bewegungsfreiheit in einem Hochstuhl. Hier hätten vor allem auch die rhythmischen Bewegungen der Kinder, also etwa das Wippen oder Strampeln, als Reaktion auf die vorgetragenen Lieder im Vordergrund der Beobachtung gestanden, so Markova.

„Naturalistisches Setting“

Als die Kinder 20 Monate alt waren, befragten die Wissenschafter die Eltern dann mittels Fragebogen über den Wortschatz ihrer Kleinkinder, einerseits in Bezug auf das Verstehen von Wörtern und andererseits in Bezug auf das eigenständige Produzieren. Aus ihren Beobachtungen und auf Basis statistischer Auswertungen habe sich gezeigt, so Erstautorin Nguyen, dass „wohl nur das neuronale Tracking und die rhythmischen Bewegungen beim Spiellied, aber nicht beim Schlaflied, mit einem vergleichsweise größeren Wortschatz der Kinder im Alter von 20 Monaten zusammenhängen“.

Wie oft den Kindern daheim und vor ihrem einmaligen Termin im Wiener Kinderstudien Labor die zwei Versuchslieder vorgesungen wurden, habe keine Auswirkung auf das Untersuchungsergebnisse gehabt, meinte Markova. Hier hätten sich keine Zusammenhänge gezeigt. Auch, so „das Besondere“ dieser Studien, habe man ein recht „naturalistisches Setting“ zugelassen - den Müttern wurde also im Voraus Material für das Erlernen der Lieder zur Verfügung gestellt, aber dann auch jeglicher Vortragsstil bzw. Interpretationsspielraum zugelassen. Weitere potenzielle Einflussfaktoren für die Sprachentwicklung von Kindern wurden im Rahmen dieser Studien nicht abgefragt.

Die Studie lege nahe, so hieß es, dass die Art und Weise, wie Babys auf unterschiedliche Lieder reagieren, mit ihrer späteren sprachlichen Entwicklung zusammenhängen könnte. Damit sehen die Forscher neue Ansätze gegeben, um die Mechanismen und genauen Zusammenhänge zwischen musikalischer Wahrnehmung und Sprachentwicklung noch besser zu verstehen.

Studie

 

Mutter mit Baby
Es gibt laut einer neuen Studie einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Art, wie Babys Lieder verarbeiten, und ihrer Sprachentwicklung.
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