Bei dem Kongress der Gesundheitsinitiative in dem Stift stehen jährlich die aktuellsten medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen im Mittelpunkt der Diskussionen. Dazu zählen derzeit - unter dem Blickwinkel der Finanzausgleichsverhandlungen zum Thema Gesundheit - auch die innovativen und zum Teil sehr aufwendigen Therapiekonzepte der Medizin, zum Beispiel die Gentherapien.
„Wir haben in unserem Bereich derzeit zwei Zulassungen für Gentherapien. Vergangenes Jahr gab es eine Zulassung für eine Gentherapie gegen die Hämophilie A, seit Februar dieses Jahres eine Zulassung für eine Gentherapie der Hämophilie B“, sagte Cihan Ay von der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie am Wiener AKH (MedUni Wien).
Entwicklung gerade erst im Anlaufen
Vor rund hundert Jahren sei die Lebenserwartung von Bluter-Kranken noch bei rund zwölf Jahren gelegen. Die Verfügbarkeit von Blutgerinnungsfaktor-Präparaten habe mittlerweile fast zu einer ähnlichen Lebenserwartung wie nicht von diesen genetisch bedingten Erkrankungen Betroffenen geführt. Eine Tragödie hätte allerdings vorübergehend die Infektion von Blutern mit HIV oder Virushepatitis in den 1970er- und 1980er-Jahren dargestellt. Die Patient:innen sind aber bei schwerem Blutgerinnungsfaktor-Mangel weiterhin auf den regelmäßigen Ersatz durch Plasma- oder gentechnologisch hergestellte Faktor-Präparate angewiesen.
„Wir wollen (per Gentherapie; Anm.) den Schweregrad der Erkrankung transformieren. (...) Sie bringt sehr große Hoffnungen mit sich“, sagte Ay. Eventuell könne man damit die Bluter-Erkrankung sogar heilen. Im Zuge der Therapien wird den Betroffenen - derzeit sind die Behandlungsformen nur für Erwachsene zugelassen - durch einmalige Infusion von genetisch veränderten Adenovirus-Vektoren die Erbinformation für die körpereigene Produktion von Blutgerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B) zugeführt. Leberzellen beginnen dann, funktionell ausreichende Mengen an den Proteinen zu produzieren.
Allerdings, noch sind nicht alle Fragen geklärt: Bei der Hämophilie B gibt es derzeit gute Behandlungsergebnisse über rund fünf Jahre hinweg, bei der Hämophilie A erst für zwei bis drei Jahre. Daten zur Langzeitsicherheit und zur Langzeitwirksamkeit fehlen aber noch. Bei der Gentherapie für Hämophilie A-Patient:innen wurde nach einiger Zeit eine geringfügige Abnahme der Wirksamkeit beobachtet, so der Experte.
Freilich, in Österreich sind diese Hämophilie-Gentherapien noch nicht verfügbar. Doch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Im Hintergrund steht aber auch die Kostenfrage. „Man muss dabei beachten, was durch diese Behandlung an Kosten wegfällt“, sagte Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am Institut für Höhere Studien (IHS). Die lebenslange Versorgung von Blutern mit den Blutgerinnungsfaktor-Präparaten ist ebenfalls sehr kostenaufwendig und auch sonst belastend. Entscheidend für einen optimalen Einsatz der Gentherapien sei wohl auch die sorgfältige Auswahl der am besten geeigneten Patient:innen, betonte der Experte.
Experten: Kosten wahrscheinlich nicht das große Problem
ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle ist optimistisch. „Die Gentherapie ist eine Herausforderung, bietet aber auch eine große Chance. A la longue glaube ich nicht, dass die Gentherapie ein Kostentreiber sein wird“, sagte er. Der mögliche Ersatz sonst hoher lebenslanger Behandlungsaufwendungen und die zunehmende Etablierung solcher Behandlungsformen auf breiter Basis dürfte diese eher kostengünstig werden lassen.
Auch Andreas Huss, Stellvertretender Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), sieht keine prinzipiell unüberwindbaren Probleme: „Grundsätzlich hat unser solidarisches Gesundheitssystem alle sinnvollen Leistungen zur Verfügung zu stellen. Zunächst ist der Patientennutzen zu klären, dann erst die ökonomische Frage. Da ist unser Gesundheitssystem extrem leistungsfähig.“ Auch bei kostenaufwendigen Therapien sei es in Österreich zumeist gelungen, akzeptable Preise auszuhandeln.
Im Rahmen des derzeit zwischen Bund und Bundesländern neu verhandelten Finanzausgleichs soll auch die zukünftige Finanzierung sehr kostenaufwendiger Therapien - ob nun im Krankenhaus oder ambulant verordnet bzw. verabreicht - geklärt werden. Huss beruhigte: „In allen Papieren von Bundesländern, Bund und Sozialversicherung wird klargestellt, dass wir teure Therapien auch gemeinsam zu finanzieren haben.“ Die auf dem Rücken der Betroffenen in solchen Fällen ausgetragene Diskussion, ob dafür die Krankenhäuser (vor allem Bundesländer) oder die Krankenkassen aufkommen sollen, „müssen beendet werden“, sagte der ÖGK-Spitzenvertreter.
An der Wirksamkeit der Gentherapie zum Beispiel bei den beiden Formen der Bluterkrankheit, gibt es kaum mehr Zweifel, so Ay: „Über 96 Prozent der Behandelten sprechen darauf an. Wo haben wir in der Medizin sonst ein Ansprechen von 96 Prozent?“