Deutschland

Personalvorgaben für psychiatrische Krankenhäuser werden nicht eingehalten

Nur knapp zwei Drittel der psychiatrischen Krankenhäuser halten in Deutschland die Mindestvorgaben für Personal ein. Wie der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) am Donnerstag mitteilte, setzten 50 Prozent der Krankenhäuser für Kinder- und Jugendpsychiatrie und knapp 40 Prozent der psychiatrischen Krankenhäuser im zweiten Halbjahr 2021 weniger Behandlungspersonal ein, als die bundesweite Mindestpersonalvorgabe vorschreibt.

red/Agenturen

Die Zahlen ergeben sich aus ersten Auswertungsberichten über die Personalausstattung in deutschen psychiatrischen Krankenhäusern. Veröffentlicht wurden die Berichte laut GKV im Januar 2023 vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). „Mit der ersten Auswertung über die Personalausstattung in der Psychiatrie erhalten wir endlich Transparenz über die Einhaltung der bundesweiten Mindestpersonalvorgaben“, erklärte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Mit Blick auf das zu geringe Personal betonte sie: „Mindestvorgaben für therapeutisches Personal schützen Patientinnen und Patienten vor mangelhafter Versorgung und das Personal vor Überlastung.“ Die künftigen Berichte zur Personalausstattung würden zeigen, "ob in den Krankenhäusern nachgebessert wird“.

Die Krankenhäuser erhielten ausreichende Mittel zur Finanzierung des Personals, betonte der GKV-Spitzenverband. „Allerdings zeigte sich im Jahr 2019, dass noch jede fünfte Psychiatrie das vereinbarte Personalbudget auch für andere Zwecke und nicht vollständig für therapeutisches Personal verwendet hatte.“ Die nunmehr für 2021 vorliegenden Zahlen ließen befürchten, „dass diese Zweckentfremdung weiterhin erfolgt“.

Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler erklärte, die vorgelegten Zahlen „bestätigten die Aussagen unserer Mitglieder aus den psychiatrischen Kliniken, dass die Personalvorgaben systematisch unterlaufen werden“. Die Ergebnisse könnten „niemanden überraschen“, sagte sie mit Verweis auf eine Verdi-Erhebung vom vergangenen Sommer, wonach die Personalvorgaben nur zu durchschnittlich 78 Prozent erfüllt würden. Völlig unverständlich sei, dass Krankenkassen und Kliniken im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossen hätten, Verstöße gegen die Richtlinie „Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik“ erst ab 2024 zu sanktionieren. Voll umgesetzt werden müsse die Richtlinie erst 2026.

Personalvorgaben werden ignoriert

„Die Daten der Kliniken selbst zeigen nun, dass die Personalvorgaben flächendeckend ignoriert werden“, so Bühler. Die Bundesregierung müsse „die Konsequenzen ziehen und unverzüglich verbindliche Vorgaben für eine bedarfsorientierte Versorgung machen“, forderte das Verdi-Vorstandsmitglied.

Die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 2019 erstmals erlassene Richtlinie über die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik regelt die Personalanzahl, die in einem psychiatrischen Krankenhaus mindestens anwesend sein muss. Dies umfasst Ärzteschaft, Psychologie, Pflege, Spezialtherapie, Bewegungstherapie und Sozialarbeit. Sie berücksichtigt dabei den unterschiedlichen Behandlungsaufwand abhängig von Art und Schwere der Erkrankung. Anlass für die Neuregelung waren Berichte über langjährig bestehende Personaldefizite in den Krankenhäusern.

Die Richtlinie verpflichtet die Krankenhäuser seitdem, regelmäßig Nachweise über das vorhandene Personal vorzulegen. „Die aktuellen Ergebnisse machen die vorhandenen Defizite erstmals auf einer einheitlichen Datengrundlage transparent“, teilte der GKV-Spitzenverband weiter mit. „Dass jedes dritte psychiatrische Krankenhaus die Personalmindestvorgaben nicht einhält, macht uns große Sorgen und belegt, wie wichtig die Personaldokumentation in der Patientenversorgung ist“, erklärte die Vorstandsvorsitzende Pfeiffer.