Stammzellenforschung

Keine Furcht vor Embryomodell-Forschung

Forschung über die frühe Embryonalentwicklung an Stammzell-Modellen könnte große Verbesserungen für die derzeit ineffiziente künstliche Befruchtung im Reagenzglas (In-Vitro-Fertilisation) bringen, sagt der Wiener Entwicklungsbiologe Nicolas Rivron im Gespräch mit der APA. An seine Fachkollegen und Journalisten plädiert er im Fachjournal „Nature Cell Biology“, den Menschen besser zu erklären, was in der Embryomodell-Forschung passiert, damit sich niemand davor fürchtet.

red/Agenturen

Nicolas Rivron untersucht am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien an Säugetier-Stammzellen in Kulturschalen, wie sie interagieren. Die „Selbstorganisation“ solcher Zellen ist in der frühen Entwicklung eines Embryos wichtig. Im Gegensatz zu Dystopien in der Populärkultur und Science Fiction geht solche Selbstorganisation nie so weit, dass sich ein lebender Organismus entwickelt, erklärt er mit Kollegen in der Fachzeitschrift.

Mit Stammzell-Modellen kann man viel über frühe Entwicklungsstadien während der Schwangerschaft erfahren, ohne dass man an überzähligen Embryos aus der In-Vitro-Fertilisation forschen muss, so die Wissenschafter. Diese Stammzell-basierten Embryomodelle sind daher ethisch eine sehr gute Alternative, sagt Rivron.

Solches Wissen wäre sehr nötig, um die derzeit nur in jedem fünften Versuch erfolgreiche künstliche Befruchtung im Reagenzglas zu verbessern, meint er. „Das erste mit In-Vitro-Fertilisation gezeugte Baby kam vor 45 Jahren auf die Welt“, so Rivron: „Seitdem gab es kaum Fortschritte.“ Nur in 20 Prozent der Versuche kämen die Paare, die sich der Prozedur einer In-Vitro-Fertilisation unterziehen, damit zu einem Baby. „Es muss aber jeder dafür zahlen, auch wenn sie nicht funktioniert“, erklärt er: „Und das ist teuer.“ Außerdem ist sie für den Körper und die Psyche sehr anstrengend. Nach einer hormonellen Stimulation werden die Eizellen der Frau entnommen, im Reagenzglas befruchtet, dann wachsen die Embryos ein paar Tage im Brutschrank, bevor man sie in die Gebärmutter verpflanzt.

Akkurate Kommunikation wichtig, um Ängste zu nehmen

Mit der Forschung an Stammzell-Modellen würde man verstehen lernen, welche Gene und Eiweißstoffe in den Zellen wichtig für die frühe Entwicklung sind, meint Rivron: „Dann könnte man den Prozess viel einfacher und günstiger für die Patienten machen.“ Davon würden viele Menschen profitieren, denn immerhin stammen laut den Forschern vier Prozent aller Geburten in Europa von In-Vitro-Fertilisationen.

Um den Menschen mögliche Furcht vor der Forschung an solchen Stammzell-Modellen zu nehmen, wäre eine propere Kommunikation wichtig, was im Labor überhaupt getan wird, so die Entwicklungsbiologen. Dazu müsse man die Forschungsobjekte etwa verantwortungsvoll und seriös beim richtigen Namen nennen, der laut Internationaler Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR) „Stammzell-basierte Embryomodelle“ lautet, und nicht salopp und sensationsgierig „synthetische Embryos“ heißen.

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Nicolas Rivron
Nicolas Rivron untersucht am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien an Säugetier-Stammzellen in Kulturschalen, wie sie interagieren.
IMBA/Tkadletz