Bei Patient:innen, die von Stuhlinkontinenz betroffen sind, kommt zu einem unfreiwilligen Verlust von Verdauungsgasen, Darmschleim oder Stuhl. Etwa sechs Prozent der Bevölkerung ab dem 60. Lebensjahr sind betroffen, Frauen aufgrund der Anatomie und Geburtsfolgen deutlich häufiger als Männer. Die therapeutischen Maßnahmen sind unterschiedlich und hängen von der jeweiligen Ursache ab. Zur Anwendung kommen derzeit medikamentöse Gaben, Beckenbodentraining und in bestimmten Fällen das Einsetzen eines Darmschrittmachers oder so genannter Sphinkeeper, kleinste Prothesen aus biokompatiblem Material. Nun wird eine neue operative Behandlungsmöglichkeit unter der Leitung von Stefan Riss und der Mitarbeit von Christopher Dawoud von der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien im Rahmen einer multizentrischen Studie getestet.
Das neue Analband aus elastischem Material wird operativ um den Analkanal implantiert. Speziell für die Behandlung von Stuhlinkontinenz von einer österreichischen Medizinprodukt-Firma entwickelt, dichtet das neue Band mit permanentem Druck den After ab, ermöglicht aber gleichzeitig eine kontrollierte Darmentleerung. „Der Vorteil des neuen Verfahrens für Patient:innen ist, dass das Band nicht nachgestellt werden muss und es so eine ständige Stuhlkontrolle ermöglicht“, erklärt Stefan Riss von der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie und Studienleiter.
Neue Methode an sechs spezialisierten Zentren
Die multizentrische Studie startete im April 2023 mit dem ersten Eingriff am Universitätsklinikum AKH Wien. „An unserer Universitätsklinik wurde weltweit der ersten Patientin das neue Analband eingesetzt. Der Eingriff ist sehr gut verlaufen und konnte wie geplant minimalinvasiv mit nur zwei kleinen, etwa zwei Zentimeter langen Schnitten neben dem After, durchgeführt werden“, berichtet Riss.
Innerhalb eines Jahres sollte die neue Behandlungsmethode nun an sechs auf Inkontinenz spezialisierten Zentren in Spanien, Deutschland und Wien mit insgesamt 30 Patient:innen getestet werden. Gemessen wird, ob die Inkontinenz-Episoden nach der Operation zurückgegangen sind, sich die Kontrolle über den Stuhl und die Lebensqualität der Patient:innen verbessert hat. Eine erste Beurteilung erfolgt nach den ersten zehn Behandlungen. „Das Ziel ist, die Stuhlinkontinenz der Patient:innen dauerhaft zu verbessern“, so Riss.
Für Betroffene steht die chirurgische Beckenbodenambulanz und das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum von AKH Wien und MedUni Wien zur Verfügung, wo interdisziplinär und fachübergreifend Diagnosen und Therapiemöglichkeiten erstellt werden.