Weltweit gelten nur fünf Menschen nach einer Knochenmarkstransplantation als wahrscheinlich von einer HIV-Infektion geheilt, wie das Universitätsspital Genf (HUG) am Donnerstag in einer Medienmitteilung schreibt. In all diesen Fällen stammte das Transplantat von einem Spender mit der seltenen Genmutation CCR5 delta 32, die dafür bekannt ist, dass sie Zellen von Natur aus resistent gegen HIV macht.
Die Besonderheit des im HUG betreuten Patienten besteht darin, dass das Transplantat von einem Spender stammt, der die Mutation nicht trägt. Trotzdem bleibt das Virus auch 20 Monate nach Beendigung der antiretroviralen Therapie bei ihm nicht nachweisbar.
Dieser sechste Fall bringt also unerwartete Erkenntnisse, die zu neuen Entdeckungen führen könnten. Diese Ergebnisse werden am 24. Juli im Rahmen des 26. Kongresses der International AIDS Society in Brisbane vorgestellt. Das HUG arbeitete bei der Studie mit dem Institut Pasteur mit Hauptsitz in Paris zusammen.
Behandlung Ende 2021 eingestellt
Der Patient lebt seit den frühen 1990er-Jahren mit HIV und hatte sich seither einer antiretroviralen Therapie unterzogen. Um eine besonders aggressive Form von Leukämie zu behandeln, wurde er 2018 mit einer Stammzelltransplantation .behandelt
Einen Monat nach der Transplantation zeigten die Tests, dass die Blutzellen des Patienten vollständig durch die Zellen des Spenders ersetzt worden waren. Diese Ergebnisse gingen mit einem drastischen Rückgang der HIV tragenden Zellen einher.
Die antiretrovirale Therapie wurde schrittweise reduziert und im November 2021 endgültig eingestellt. Bei den seit dem Absetzen der Behandlung durchgeführten Tests wurden im Körper des Patienten keine Viruspartikel, kein aktivierbares Virusreservoir und keine erhöhten Immunantworten gegen das Virus nachgewiesen.
Fall von Remission
Diese Erkenntnisse schliessen nicht aus, dass das Virus noch im Körper fortbesteht, aber sie ermöglichen es dem Wissenschaftsteam, den Patienten als einen Fall von Remission, also des Zurückgehens der HIV-Infektion zu betrachten. "Was mir passiert ist, ist wunderschön, magisch, wir blicken optimistisch in die Zukunft", wird der Patient in der Medienmitteilung zitiert.
„Wir erforschen mit dieser einzigartigen Situation neue Wege in der Hoffnung, dass die Remission oder sogar die Heilung von HIV nicht mehr ein aussergewöhnliches Ereignis ist", erklärt Alexandra Calmy, Leiterin der HIV/AIDS-Abteilung am HUG.
Der Fall sei zwar wegen seiner Besonderheit nicht in grossem Massstab übertragbar, stellte Asier Sáez-Cirión, Leiter der Abteilung für virale Reservoirs und Immunsteuerung am Institut Pasteur fest. Er liefere jedoch unerwartete Erkenntnisse über die Mechanismen zur Beseitigung und Kontrolle der viralen Reservoirs, die für die Entwicklung heilender HIV-Behandlungen wichtig sein werden.