Betrug und Körperverletzung

Zahnärzte gaben Fehlbehandlungen vor Gericht zu

Zwei Zahnärzte müssen sich am Donnerstag in Steyr wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs und der fahrlässigen Körperverletzung vor Gericht verantworten. Der Erstangeklagte soll Sozialversicherungen sowie rund 150 Patient:innen betrogen und einen Schaden von rund 300.000 Euro angerichtet haben. 25 Patient:innen erlitten nach Fehlbehandlungen Gesundheitsprobleme. Der mitangeklagte Bruder soll in 16 Fällen gepfuscht haben. Beide waren großteils geständig.

red/Agenturen

Der Hauptangeklagte, ein deutsch-syrischer Staatsangehöriger, hatte 2013 als Wahlarzt in Oberösterreich eine Ordination eröffnet. Ab dann habe er laut Anklage mindestens 150 Patient:innen hochwertige Kronen zugesagt, die sich jedoch als Provisorien entpuppten. In 113 Fällen stellte er offenbar zudem Behandlungen in Rechnung, die er nie durchgeführt haben dürfte. Weiters soll es bei 14 von 25 unfachgemäß behandelten Patient:innen zu schweren Komplikationen gekommen sein. Der ebenfalls vor Gericht stehende Bruder, der ab 2016 in einer Kassenordination mit dem Hauptangeklagten arbeitete, soll in 16 Fällen Patient:innen gesundheitlich geschädigt haben.

Fehlbehandlung mit schweren Folgen

2018 war eine erste mutmaßliche Fehlbehandlung bekannt geworden. Eine Patientin hatte in entzündetes Gewebe ein Zahnimplantat erhalten. Gesetzt wurde dieses vom Zweitangeklagten in der Privatordination des Bruders. Diese „gravierende Fehlbehandlung“ führte dazu, dass die Patientin in Linz im Krankenhaus operiert werden musste, führte die Staatsanwältin aus. Es habe eine beginnende Sepsis vorgelegen. Die Patientin erlitt eine Nervenschädigung einer Gesichtshälfte - ein „bleibender Schaden“.

Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass besagte „Fehlbehandlung kein Einzelfall“ gewesen sei, unterstrich die Anklagebehörde. Nach viereinhalb Jahren Ermittlungsarbeit war die Liste der mutmaßlichen Verfehlungen fertig.

Behandlungeen „nach bestem Wissen und Gewissen“

Auch wenn beide Mandanten grundsätzlich die Verantwortung bezüglich der fahrlässigen Körperverletzung übernehmen, hätten sie „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, erklärte der Verteidiger. Den Vorwurf, er habe minderwertige Kronen eingesetzt, tatsächlich aber teurere in Rechnung gestellt, wollte der 46-jährige Hauptangeklagte so nicht stehen lassen. Für jene Behandlungen zu viel von Krankenkassen kassiert zu haben, dafür konnte auch der Richter in den Akten keine direkten Hinweis finden.

Als Grund, warum er Langzeitprovisorien aus einem Kunststoff-Keramik-Gemisch verwendet habe, begründete der Angeklagte damit, diese seien besser als „spröde werdende Keramikkronen“. Darüber habe er auch die Patient:innen mündlich aufgeklärt, versicherte er. Geladene Zeug:innen konnten sich daran nicht erinnern. „Mir wurde nichts erklärt“, sagte eine ehemalige Patientin.

„Über Verhältnisse gelebt“

Zugeben hat er indes, den Sozialversicherungen nicht erbrachte Leistungen verrechnet zu haben. Mit den beiden Ordinationen „habe ich über meine Verhältnisse gelebt, bin dann leider Gottes zu den Fehlberechnungen gekommen, ohne nachzudenken, dass dies auch meine eigene Zukunft ruinieren wird“, nannte er vor Gericht als Motiv. Er „bereue zutiefst, die Kassen betrogen“ zu haben. 2018 habe er beim „Finanzamt 140.000 Euro Schulden“ gehabt.

Auch sein zehn Jahre älterer Bruder bekannte sich schuldig - der „grob fahrlässigen Körperverletzung mit zum Teil schweren Folgen“. Auf die entsprechende Nachfrage des Vorsitzenden Richters des Schöffensenats antwortete er kurz mit „Ja“. Auf Fragen der Staatsanwältin, Schöffen und Rechtsvertretern von Opfern, die sich als Privatbeteiligte mit Schadenersatzforderungen im sechsstelligen Bereich dem Verfahren angeschlossen haben, verweigerte er ebenso wie sein Bruder von vornherein eine Beantwortung.

Bis zu zehn Jahre Haft

Dem Hauptangeklagten drohen ein bis zehn Jahre, seinem Bruder bis zu zwei Jahre Haft. Der Prozess ist vorerst für einen Tag anberaumt.

Über die beiden Ordinationen war bereits im März 2019 die Insolvenz eröffnet worden. Die Passiva beliefen sich auf rund 500.000 Euro, die Zahnarztpraxen wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe geschlossen. Die Brüder wollen sich laut eigenen Angaben im Ausland wieder als Zahnärzte etwas Neues aufzubauen. Wie der Richter aus sozialen Medien entnommen hat, versuche dies der Hauptangeklagte anscheinend in Dubai.