Neue Richtlinie

EU-Kommission will Gentechnik-Regeln lockern

Die EU-Kommission hat am Mittwoch neue Pläne für einen deutlich lockeren Umgang mit der Neuen Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft vorgestellt. Neue Mutationsverfahren wie die Genschere Crispr/Cas sollen demnach künftig einfacher zum Einsatz kommen und damit bearbeitete Pflanzen nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Aus Österreich kommt massive Kritik zu dem Vorschlag.

red/Agenturen

Die EU-Kommission schlägt vor, gentechnisch veränderte Pflanzen in zwei Kategorien zu unterteilen. Für beide sollen unterschiedliche Anforderungen gelten, um auf den Markt zu gelangen.

Kategorie 1: „normale“ Pflanzen

Die erste Kategorie enthält Pflanzen, die mit natürlich vorkommenden Pflanzen vergleichbar sind. Ihre gentechnischen Veränderungen könnten auch natürlich entstehen. Pflanzen der ersten Kategorie würden einem Überprüfungsverfahren unterzogen. Erfüllen sie bestimmte Kriterien, gelten sie laut Vorschlag als normale Pflanzen und fallen nicht mehr unter die Anforderungen der geltenden EU-Gentechnik-Richtlinie.

Kategorie 2: komplexe Veränderungen

Pflanzen der zweiten Kategorie würden hingegen umfangreicheren Tests unterzogen. In die zweite Kategorie fallen Gewächse mit komplexeren Veränderungen im Genom. Sie müssten wie bisher die umfangreichen Verfahren zur Risikobewertung durchlaufen, die in der geltenden EU-Regelung vorgesehen sind. Allerdings könnte es Ausnahmen geben: Für Pflanzenzüchter oder Saatguthersteller, die zur nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen könnten, will die EU-Kommission verkürzte Verfahren oder reduzierte Zulassungskosten erlauben.

Pflanzen brauchen weniger Pestizide

Verfahren wie die Genschere Crispr/Cas ermöglichen präzisere und kleinere Eingriffe am Erbgut als frühere Verfahren. Von der klassischen Gentechnik unterscheiden sie sich zudem dadurch, dass keine fremden Gene in die Pflanze eingeschleust werden. Bisher waren beide Verfahren gleich streng reguliert. Durch den sicheren Einsatz der neuen Gentechnikverfahren hätten Landwirte Zugang zu widerstandsfähigeren Pflanzen, die etwa weniger Pestizide benötigten, sagte Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission für den Green Deal, am Mittwoch vor Journalisten in Brüssel. Wissenschafterinnen und Wissenschafter drängen schon länger darauf, die strengen EU-Regeln für sogenannte grüne Gentechnik zu lockern.

Die neuen Gentechnik-Regelungen sind Teil des am Mittwoch vorgelegten „Food and Biodiversity Package“ der EU-Kommission. Darin enthalten sind auch Gesetzesvorschläge zur Bodengesundheit sowie für Reformen des Saatgutrechts bzw. der Abfallrahmenrichtlinie. EU-Staaten und Europaparlament müssen die Vorschläge jetzt diskutieren und einen Kompromiss ausarbeiten.

Kritik aus Österreich

„Wir haben uns in Österreich als Vorreiter der Bio- und gentechnikfreien Landwirtschaft positioniert. Strenge Regelungen auch für die sogenannte 'neue Gentechnik' sind gemeinsame Regierungsposition. Der Vorschlag der Kommission ist eine Gefahr für den österreichischen Weg der Landwirtschaft und nimmt Konsument:innen auch ihre Wahlfreiheit“, sind sich Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), Konsumentenschutzminister Johannes Rauch (Grüne) und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) einig. „Wir werden das nicht zulassen, uns daher mit aller Kraft in Brüssel dafür einsetzen, dass auch weiterhin strenge Regeln für gentechnisch veränderte Pflanzen und Lebensmittel gelten. Dass die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zwingen will, den unkontrollierten Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu erlauben, ist inakzeptabel.“

Greenpeace fordert klares „Nein“

Greenpeace-Landwirtschaftssprecherin Melanie Ebner fordert von Landwirtschaftsminister Totschnig ein klares „Nein“ zur neuen Gentechnik: „Die Menschen in Österreich und Europa haben ein Recht darauf zu erfahren, was auf ihren Tellern landet. Auch Bäuerinnen und Bauern müssen weiterhin die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, ob Gentechnik auf ihren Feldern eingesetzt wird oder nicht.“ „Der Ausschluss von NGT-Pflanzen von der Kennzeichnung dient dazu, neue Märkte für bereits große Agrarkonzerne zu öffnen und streicht die Transparenz für Lebensmittelhersteller:innen und Einzelhändler:innen", kritisierte Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Gentechniksprecherin. Der „Lebensmitteleinkauf wird damit zum Lotteriespiel“, zeigte sich BIO AUSTRIA Obfrau Barbara Riegler entsetzt. Auch für Heidi Porstner, Leiterin von foodwatch Österreich, ist der Vorschlag „inakzeptabel“. Es würden "rote Linien für Österreich überschritten“ und der Vorschlag sei daher abzulehnen, so ÖVP-EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber. „Mehr hätte sich die Gentechnik-Lobby gar nicht wünschen können“, kritisierte EU-Parlamentarier Günther Sidl (SPÖ).

Faßmann fordert faktenbasierten Debatte

Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, bezeichnete den Entwurf hingegen als „Schritt in die richtige Richtung. Mit den neuen Regelungen kann das Potenzial der Forschung in dem Bereich besser ausgeschöpft werden. In Österreich müssen wir nun endlich in zu einer faktenbasierten Debatte kommen.“

Maisfeld
Die EU-Kommission seiht deutliche Lockerungen bei Gentechnik in der Landwirtschaft vor. Ziel der Deregulierung ist unter anderem, gegen Wassermangel oder Schädlinge widerstandsfähigere Gewächse zu züchten.
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