Corona-Politik

Niederösterreichs Koalitionspakt sorgt für Aufregung

Für das Übereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich hat es am Montag erneut Tadel gegeben. Rupert Dworak, Präsident des Sozialdemokratischen GemeindevertreterInnenverbandes NÖ (GVV NÖ), bezeichnete den angekündigten Corona-Fonds als „Schlag ins Gesicht“ von Bürgermeistern und Ehrenamtlichen. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hält die Umsetzung für schwierig. Generelle Kritik am Pakt kam von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und aus der Wissenschaft.

red/Agenturen

In Sachen Corona ist im Übereinkommen die Einrichtung eines 30 Millionen Euro schweren Fonds vorgesehen. Er ist für die Rückerstattung von verfassungswidrigen Covid-Strafen da. Finanziert werden sollen aus diesem Topf u.a. aber auch Beratungsleistungen im Fall individueller Schäden, medizinische Betreuung von Menschen mit Impfbeeinträchtigungen, Kosten zur Behandlung psychischer Probleme und Mehraufwendungen für Heimunterricht. Entsprechende Förderrichtlinien müssen von der Landesregierung noch erlassen werden.

Dworak sieht in den Vorhaben einen „Schlag ins Gesicht aller Menschen, die sich bemüht haben, in dieser schweren Zeit regelkonform zu leben und die nun erfahren müssen, dass sie angeblich falsch gelegen sind und nunmehr die Corona-Schwurbler offenbar die Oberhand erlangen sollen“. Es sei deshalb nicht zuletzt auch ein „Schlag ins Gesicht der Wissenschaft“. Gleichzeitig sei nicht klar, wie der Fonds in der Praxis funktionieren soll.

Gesundheitsminister Rauch sieht das ähnlich und bezeichnete die Umsetzung bei einem Radfahr-Termin mit Umweltministerin und Parteikollegin Leonore Gewessler als schwierig: „Das wird Niederösterreich klären müssen, wie sie das zu tun gedenken“, sagte er. Auf Bundesebene sei so etwas definitiv „keine Option“, Niederösterreich „wird die Bundesregierung in ihrer Arbeit nicht beeinflussen“.

FPÖ: „Wiedergutmachung nicht schlechtreden“

Ähnliche Bedenken in Sachen Handhabung des Fonds wie Dworak und Rauch hatten am Wochenende auch Innenminister Gerhard Karner, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) sowie Verfassungs- und Medizinjurist Karl Stöger geäußert. In der Tonart ging es auch am Montag weiter. Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger sah im Ö1-Mittagsjournal in Bezug auf die geplante Rückerstattung der Strafen Probleme bei der praktischen Umsetzung. Es seien viele Fragen offen. Verfassungsrechtler Heinz Mayer sah die Regelung kritisch und verwies darauf, dass Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes immer für die Zukunft gelten.

Der vermehrten Kritik trat FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz am Montag in einer Aussendung entgegen: „Die Rückzahlung geht, wird passieren und ist nur gerecht.“ „Destruktive Kräfte“ sollten aufhören, „die Wiedergutmachung von außen schlechtzureden“.

Vereinbart wurde von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich auch, dass das Land keine weiteren Werbemaßnahmen für die Corona-Impfung durchführt. Auch dazu äußerte sich Rauch. Der Gesundheitsminister will selbstverständlich „weiterhin für die Corona-Impfung eintreten, weil sie vor allem auch ältere Personen, die besonders gefährdet sind, gut vor Long Covid schützt“. „Im Herbst wird es von Seiten des Ministeriums den Aufruf geben, sich auch in Niederösterreich auffrischen zu lassen“, bekräftigte Rauch. Der Vorstoß, künftig keine Empfehlung mehr für die Corona-Impfung auszusprechen, sei aus gesundheitspolitischer und wissenschaftlicher Sicht strikt abzulehnen, hieß es indes per Aussendung seitens der Apothekerkammer NÖ.

Ludwig „nicht sehr positiv gestimmt“

Die Situation in Niederösterreich beurteile sie wie Grünen-Landessprecherin Helga Krismer, die das am Wochenende schon pointiert gesagt habe, meinte Gewessler am Montag. „Es ist schade, wenn sich ein Bundesland in Richtung Vergangenheit aufmacht und nicht Richtung Zukunft“, sagte die Umweltministerin. Insbesondere beim Klimaschutz brauche es „mutige Politik für die Zukunft“.

Auch Wiens Bürgermeister Ludwig äußerte sich am Rande eines Termins am Montag zum Pakt. „Das ich mir eine andere Konstellation gewunschen hätte, ist ziemlich offensichtlich. Das Programm, das hier beschlossen worden ist, stimmt mich nicht sehr positiv.“ Äußerungen etwa zum Thema Wissenschaft ließen ihn befürchten, dass der gute Weg, den man gemeinsam bisher in der Ostregion beschritten habe, nicht in dieser Intensität weitergeführt werden könne.

Er vermute, dass viele auch in Niederösterreich angesichts von dem, was im Wahlkampf gesagt worden sei, von der Koalition überrascht sein dürften. Dass die Bedingungen der Landes-SPÖ - so wie von der ÖVP befunden - überzogen waren, stimmt laut Ludwig nicht: „Viele dieser Forderungen haben wir in Wien schon realisiert. Kostenfreier Kindergarten tut nicht weh, ganz im Gegenteil. Das ist eine Grundvoraussetzung, um Beruf und Familie zu vereinbaren.“ Die Forderungen hätten das Bundesland zweifellos vorangebracht, zeigte sich Ludwig überzeugt.

Offener Brief zahlreicher WIssenschafter

Für Unmut sorgt das schwarz-blaue Bündnis in Niederösterreich auch auf regionaler Ebene. Cornelia Sturm-Wagner, ehemals ÖVP-Vizebürgermeisterin von Aschbach-Markt (Bezirk Amstetten) trat laut einem Onlinebericht der „NÖN“ („Niederösterreichische Nachrichten“) aus der Volkspartei aus. Verständnis zeigte ihr Parteikollege, Ortschef Martin Schlöglhofer: „Ich verstehe ihre Handlungsweise und wenn ich nicht die Funktion als Bürgermeister innehätte, würde ich eine ähnliche Reaktion ins Auge fassen und mich von der jetzigen Landes-ÖVP distanzieren.“

„Gegen den Rechtsruck in Niederösterreich“ sprachen sich indes in einem Offenen Brief zahlreiche Wissenschafter aus, unterzeichnet wurde das Schreiben von mehr als 250 Personen. „Die Koalition mit diesem besonders radikalen Teil der FPÖ ist ein Tabubruch. Sie schadet dem internationalen Ansehen und damit dem Wissenschaftsstandort Österreich und Niederösterreich, sie befördert eine Politik der Ausgrenzung, des Rassismus und der Wissenschaftsfeindlichkeit“, wird in dem Brief betont.

Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie stieß sich daran, dass das Übereinkommen vorsieht, dass „die Verwendung der deutschen Sprache auch in Pausen und am Schulhof durch Aufnahme in die schulautonom zu beschließenden Hausordnungen“ vorangetrieben werden soll. Geortet wurde eine „Missachtung der Kinderrechte“, „evidenzbasierte Beispiele für die Wirksamkeit solcher Maßnahmen“ gebe es nicht.

 

Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und FPÖ-Landesparteichef Udo Landbauer planen eine Zusammenarbeit.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com