Evaluierungsstudie

Ärzt:innen: Zu wenig Zeit für Ausbildung und Privatleben

Im Ausbildungssystem für Österreichs Ärzt:innen fehlt die Zeit, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben kommt zu kurz. Auf diesen Teilaspekt der bereits im September präsentierten Evaluierungsstudie hat am Donnerstag in einer Pressekonferenz die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) hingewiesen. Vizepräsident Harald Mayer und der Wiener Kammervize Stefan Ferenci appellierten an die Politik, diese Alarmrufe trotz der kammerinternen Streitigkeiten ernst zu nehmen.

red/Agenturen

Auf einer Skala von 1 bis 6 (alles unter dem Wert von 3,5 gilt dabei als „nicht genügend“) wurde die Frage, ob man die Ausbildung in der vertraglich fixierten Arbeitszeit zur eigenen Zufriedenheit erfüllen könne, unter den Befragten mit 3,67 bewertet. „In der Schule wäre das gerade noch ein schlechtes genügend“, sagte Mayer. Die Ärztekammer fordert, dass mindestens 20 Prozent der gesetzlich geregelten Arbeitszeit für echte Ausbildung reserviert sein solle.

Die Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben wurde mit 3,94 bewertet. Es herrsche ein Mangel an Teilzeitmöglichkeiten und Kinderbetreuung, meinte Mayer. Und: „Wenn man den Kolleg:innen nicht entgegenkommt bei der Arbeitszeit, dann kommt es dazu, dass sie davonlaufen“, warnte er. Ähnlich sah das Ferenci, der vom Ärzt:innenwunsch zu lernen und lehren sprach. Wenn Spitalsträger und öffentliche Hand nicht auf den Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hörten, dann gingen die Ärzt:innen ins benachbarte Ausland und ließen sich in Deutschland und der Schweiz anwerben.

Derzeit arbeiten laut Kammer rund zehn Prozent der Ärzt:innen in Ausbildung Teilzeit. Wünschen würden sich das aber 23 Prozent. Dies geschehe nicht aus Jux und Tollerei, so Ferenci, sondern meist wegen der Betreuungspflichten. Mehr Ausbildungsplätze benötige man nicht, betonte Mayer: Es gebe jedes Jahr rund 1.850 Absolventen in Österreich. Ginge man mit ihnen anständig um, würden mehr als derzeit jährlich 800 im Land bleiben.

„Grundsätzlich haben wir die Expertise“

Auf Nachfrage zeigte sich ÖÄK-Vize Mayer „unglücklich“ über die öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten in der Wiener Ärztekammer. Nicht gut wäre es, wenn die Politik dies zum Anlass nähme, nicht auf die Standesvertretung zu hören. „Grundsätzlich haben wir die Expertise“, unterstrich er: „Wer sonst sollte sie haben außer die Leistungsträger?“

Ferenci, direkter Konkurrent des Wiener Ärztekammerpräsidenten Johannes Steinhart, meinte ebenfalls, es wäre „in meinem Interesse und im Interesse aller Ärzt:innen, wenn die Streitereien aufhören“. Der Misstrauensantrag gegen Steinhart habe in der Vollversammlung am Dienstag zwar nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erhalten, der Präsident verfüge aber über keine Mehrheit mehr. Im Vorfeld hatte Ferenci die Garantie abgegeben, nicht als Nachfolger zur Verfügung zu stehen, sollte die Abwahl gelingen.

„Es gibt nur einen Ausweg, und das ist der, dass sich alle Beteiligten ihres Kernauftrags besinnen“, sagte er. Es sei an der Zeit, dass alle Beteiligten miteinander sprechen. Die Wiener angestellten Ärzt:innen planten einen - noch immer nicht mit einem konkreten Termin versehenen - Streik. „Da brauchen wir Einigkeit. Da müssen einige ihre Tonalität, ihre Grundeinstellung ändern“, so der Appell Ferencis.

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Die Ärztekammer fordert, dass mindestens 20 Prozent der gesetzlich geregelten Arbeitszeit für echte Ausbildung reserviert sein solle.
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