Vorteile der Gentherapie nützen

Kostenmäßig mit derzeit noch hunderttausenden Euro pro Patient:in verbundene Zell- und Gentherapien schaffen derzeit neue Therapiechancen und ermöglichen die „Korrektur“ vor allem von monogenetisch bedingten Erkrankungen. Diese Chancen gilt es zu nutzen. Die Kosten dürften in Zukunft sinken, hieß es am Samstag bei den Praevenire Gesundheitsgesprächen in Alpbach in Tirol (bis 10. Juli).

red/Agenturen

„Wir haben da ganz viele Herausforderungen, die an uns herankommen. Im Gesundheitsbereich tut sich derzeit sehr viel“, sagte die Tiroler Gesundheits-Landesrätin Cornelia Hagele (ÖVP). Einerseits geht es darum, die Wissenschaft zu fördern, andererseits die Chancen der neuen Therapien für die Patienten erreichbar zu machen.

Die ÖVP-Landespolitikerin: „Ich orte derzeit sehr, sehr stark, dass man der gleichen Meinung ist. Wenn solche Therapien ausgereift sind, die zur Heilung beitragen können, auch wenn sie um Vieles teurer sind als die Medikamente, die man jetzt zur Verfügung stellt, hat das einen sehr, sehr großen Mehrwert: Dass die Menschen gesund sind, dass die Menschen ein besseres Leben haben können. Dass es im Endeffekt auch Geld spart. Wichtig ist, dass man mutig ist, in diese Richtung zu gehen. Wir in der Politik müssen uns den Mut nehmen, diese Dinge entsprechend zu unterstützen und das auch zu finanzieren.“ Privat werde sich wohl niemand eine Gentherapie gegen eine schwere Erkrankung leisten können. „Da ist die öffentliche Hand gefragt.“

Finanzausgleich soll eigene Finanzierungsschiene schaffen

Die Problematik in Österreich lag bisher bei der Finanzierung sehr kostenaufwendiger Gen- und Zelltherapien von Anfang an in der Frage, der Aufteilung der finanziellen Lasten. Manche Krankenhausträger lehnten diese Behandlungsformen ab, es kam teilweise zu einem „Patiententourismus“ über Bundesländer hinweg.

Die Zeit drängt, weil die medizinische Entwicklung in diesen Bereichen sehr schnell voranschreitet. Aufwendige CAR-T-Zelltherapien sind mittlerweile in der Behandlung von Blutkrebsformen längst in der klinischen Routine gelandet. Nach der ersten zugelassen Gentherapie gegen die Spinale Muskelatrophie (SMA) für Babys kommen auch in Europa in nächster Zukunft die Gentherapien gegen die Hämophilie A und B, wie der Blutgerinnungsspezialist Cihan Ay (MedUni Wien) darstellte. „Wir erwarten derzeit den ersten Einsatz (der Bluter-Gentherapien; Anm.) außerhalb von klinischen Studien. (...) Aus meiner Sicht können wir damit Erkrankungen heilen und die Folgen von Erkrankungen verhindern.“

Mit den derzeitigen Gentherapien werden vor allem durch einen einzigen Gendefekt (monogenetisch) bedingte Erkrankungen behandelt. In Sachen Hämophilie soll das Einfügen funktionierender Erbanlagen für die Produktion von Blutgerinnungsfaktoren in Leberzellen die Blutgerinnung normalisieren. Die Betroffenen sind sonst lebenslang auf die regelmäßige Infusion von Blutgerinnungspräparaten angewiesen. Eine funktionierende Gentherapie würde also auch lebenslange Arzneimittel- und Therapiekosten ersparen.

Langzeitwirkung noch nicht geklärt

Noch ist aber nicht ganz klar, ob eine einmalige Behandlung auch über Jahrzehnte hinweg hilft. Würden sich diese Hoffnungen aber erfüllen, wäre das ein großer Fortschritt, auch verbunden mit ökonomischen Vorteilen. Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom vom Institut für Höhere Studien (IHS): „Diese Therapien wirken ursächlich. Ist ein Gen dadurch stabil eingebaut, hat man endlich eine Heilung der Erkrankung, was viele Medikamente erspart, die das nicht leisten können.“ Konkurrenz in der Pharmaindustrie würde auch schnell für sinkende Kosten sorgen. „Bei der CAR-T-Zelltherapie gehen die Preise schon herunter.“ Zunächst höheren Aufwendungen am Anfang würden schließlich in wirtschaftlich sinnvolle Effekte münden. Ein Beispiel seien in den vergangenen Jahren auch die am Anfang sehr teuren kurativen Therapien gegen die Hepatitis C gewesen.

Die österreichische Problematik liegt - so die Gesundheitsökonomen Czypionka, Ernest Pichlbauer und die Tiroler Landesrätin - in der Fragmentierung des Finanzierungswesens im Gesundheitswesen mit den Krankenkassen, die für die extramurale Medizin (niedergelassene Ärzt:innen etc.) zuständig sind und die Bundesländer, welche die Krankenhäuser finanzieren. „Für die Primärprävention sind der Bund und die Österreichische Ärztekammer zuständig“, sagte Pichlbauer. Gentherapien, zum Beispiel jene gegen die SMA, sollten aber angewendet werden, noch bevor die Erkrankung wirklich voll ausbricht.

Was die Korrektur eines Gendefekts darstellt - Primärprävention (Krankheitsvermeidung) , die Verhinderung von Folgeschäden (Sekundärprävention) oder die Behandlung einer Krankheit im herkömmlichen Sinn -, das führt derzeit in Österreich zu komplizierten Finanzierungsfragen. Cornelia Hagele: „Unser System in Österreich hat hier definitiv Lücken.“ Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass mit den Finanzausgleichsverhandlungen ein neuer „Fonds“ mit Beiträgen der unterschiedlichen Zahler im Gesundheitswesen für solche Therapien geschaffen wird. Dass man sich insgesamt mit einer Reform der Finanzierung des Gesundheitswesens beschäftigen müsse, sei allen Beteiligten klar, erklärte die Landesrätin.