Pflege: Neue Medikamente-Regelung plagt Organisationen

Das Auslaufen einer Corona-Sonderregel im Pflegebereich macht den in diesem Sektor tätigen Organisationen Kummer. Sie befürchten bei der Medikamenten-Beschaffung einen deutlichen Mehraufwand, was angesichts des ohnehin bestehenden Personalmangels zu weiteren Problemen führen wird. Vorstellbar ist, dass Beschäftigte aus Heimen mit Dutzenden E-Cards im Gepäck zu Apotheken wandern müssen.

red/Agenturen

Worum es geht: Während der Pandemie konnten Betreuer für ihre Klienten unbürokratisch mit Vorlage des Namens und der Sozialversicherungsnummer Medikamente von der Apotheke abholen. Mit Ende Juni läuft diese Regel aus. Ab da muss wieder die E-Card gesteckt werden. Alternativ könnte man mit einem zwölfstelligen Code bzw. der MeineSV-App oder einem ausgedruckten Rezept zu den Präparaten kommen.

Diese Möglichkeiten sind allesamt unpraktikabel, wie Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger als derzeitiger Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG; Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz, Volkshilfe) und der Vizepräsident von Lebensweltheim (ein Verein mit circa 650 Einrichtungen), Martin König, in einem Gespräch mit der APA betonen. Fenninger geht davon aus, dass der Arbeitsaufwand um jedenfalls fünf Prozent steigen wird.

Unbürokratische Covid-Regelung läuft aus

Er und König betonen, dass die bisherige Regel deutlich leichter in den Arbeitsalltag eingebaut werden konnte. Das heißt, man konnte die Medikamente am Weg abholen und sie dann beim nächsten geplanten Besuch des zu Pflegenden abliefern. Nunmehr muss die betreuende Person sofort nach dem Besuch der Apotheke zurück, damit die gepflegte Person wieder zu ihrer E-Card kommt, die sie in einem Akutfall ja bräuchte.

Dazu kämen rechtliche Probleme, wenn etwa aus einem größeren Heim gleich Dutzende E-Cards auf einmal zur Apotheke gebracht werden. Was passiert bei einem Unfall oder einem Diebstahl der Karten?

Als unrealistisch schildert König die Verwendung der MeineSV-App, da die zu betreuende Klientel in der Regel keine Handysignatur hat. Die Durchgabe des zwölfstelligen Codes durch den Arzt ist für beide Seiten zeitaufwendig und noch dazu fehleranfällig: „Kein Arzt wird zwei Stunden telefonieren, um 100 zwölfstellige Codes durchzugeben“, meint König. Ausgedruckte Rezepte gibt es wiederum längst nicht mehr bei jedem Arzt.

Verärgert sind die beiden Experten darüber, dass die betroffenen Organisationen in keiner Weise eingebunden worden seien, man vom Auslaufen der aktuellen Regel nur durch Zufall erfahren hat. Es gebe eine Ignoranz der Politik gegenüber jenen, die die Tätigkeiten durchzuführen hätten, meint Fenninger. Als Zwischenschritt plädiert er dafür, die Corona-Sonderregelung einmal bis zum Jahreswechsel zu verlängern und bis dahin eine Dauerlösung zu finden. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) wurde zuletzt mit einem offenen Brief zu dem Thema konfrontiert. Darin heißt es etwa: Die neuen Abläufe seien „aufgrund ihrer technischen Komplexität nicht mit der Lebensrealität von pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen kompatibel und werden daher gar nicht erst stattfinden“.